LEICHTATHLETIK: Die Wahrheit liegt im Tee

ALTRICH. (teu) Manchmal dauert es ein halbes Leben, bis einem Sportler der Durchbruch gelingt. Bei Carmen Werner war der Weg zum Kreisrekord über 400 Meter sogar noch länger.

Es hatte den Eindruck, als sei dieses zwölfjährige Mädchen durch nichts aus der Ruhe zu bringen. Es war nass-kalt an diesem Januartag vor zehn Jahren auf einer verschneiten Wiese bei Lampaden im Hunsrück. Ihren Vizemeistertitel bei den Bezirksmeisterschaften im Crosslauf hatte sie längst in der Tasche, aber sie musste noch warten, bis ihre älteren Vereinskameraden fertig waren. Aber statt zu jammern, ergriff das Mädchen die Initiative. In einem einigermaßen warmen Zelt fand sie der Betreuer vom PSV Wengerohr, Tee aus der Thermoskanne schlürfend. "Eine Thermoskanne mit Tee habe ich auch heute noch dabei, wenn es kalt ist", sagt Carmen Werner heute, inzwischen 23 Jahre alt. Und aus der Ruhe scheint sie immer noch nichts zu bringen. Von Nervosität war bei Carmen Werner zuletzt beim Abendsportfest in Bernkastel-Kues jedenfalls nichts zu spüren, als die angehende Grundschullehrerin nur drei Tage, nachdem sie den Siebenkampf-Kreisrekord auf 3824 Punkte verbessert hatte, ihr Debüt auf der Stadionrunde gab. Die Lockerheit im Wettkampf sieht Carmen Werner als ein Grund, warum sie auch den fast 27 Jahre alten 400-Meter-Kreisrekord von Beatrix Gerdes (Wittlicher TV) von (per Hand gestoppten) 57,6 Sekunden auf (elektronisch gestoppte) 57,13 Sekunden steigerte. "Ich bin selbst verwundert, weil ich im Winter wegen der Prüfungen zum ersten Staatsexamen nur ein Mal pro Woche trainiert habe", sagt Carmen Werner. Nach dem Trainingslager der LG Bernkastel-Wittlich (der PSV Wengerohr ist einer von neun Mitgliedsvereinen der Startgemeinschaft) im Schwarzwald über Ostern habe sie sich gedacht, diese Fitness auch in die Saison retten zu müssen. Drei Mal pro Woche steht sie seitdem auf dem Sportplatz der Bereitschaftspolizei in Wittlich-Wengerohr: "In den Trainingsgruppen macht das riesig Spaß, weil alle super motiviert sind. Ob ich nun zum Spaß mit den Schülern weit springe, mit den anderen Jungs Tempoläufe mache oder mit den Senioren trainiere." Carmen Werners Mutter, ihren beiden älteren Brüdern, ihrem Grundschullehrer Theo Lamberts und ihrem ersten Trainer Willi Heck ist es zu verdanken, dass sie den Weg zur olympischen Kernsportart gefunden hat. Sie wollte erst gar nicht, bis ihre Mutter sie eines Tages "zum Zugucken" zum Training kutschierte. "Nach fünf Minuten hat mich Willi Heck aufgefordert, mitzumachen. Ich hatte keine Chance, Nein zu sagen", erinnert sich Werner. Nach dem zweiten Platz beim Wittlicher Säubrennerlauf war es endgültig um das Mädchen geschehen: "Ich hatte Spaß dabei." Diese Freude versucht Werner nicht nur als angehende Lehrerin, sondern auch als Übungsleiterin weiter zu geben. "Ich bin froh, wenn jemand Spaß an der Leichtathletik hat", sagt sie.

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