"Gibst du mir mal den Atlas?"

Trier · Retro ist in. Nicht nur beim Autodesign oder der Diskussion über die Rückkehr alter Kennzeichen wie BKS, SAB oder PRÜ. Jetzt soll auch der gute alte Autoatlas wieder seine Chance bekommen - und das im Zeitalter von GPS, Navi und Handy-Apps.

Trier. Der schwere Autoatlas einer bekannten Tankstellenkette oder das ebenso umfangreiche Exemplar eines großen Autoclubs lagen über Jahrzehnte in fast jedem Fahrzeug. Wer in Urlaub wollte oder sich zu entfernten Freunden oder Verwandten aufmachte, der fand dort wie selbstverständlich Hilfe in verschiedenen Maßstäben. Doch als die GPS-Orientierung und die Navigationssysteme handels üblich wurden, dämmerte das schwere Ding entweder im Handschuhfach dem Ende seines einstigen Verwendungszwecks entgegen oder landete in der Blauen Tonne.
Bekommt das Navi bei der Routenplanung jetzt wieder verstärkt Konkurrenz von seinem gedruckten Pendant? Kommt der Atlas zurück? Navigationssoftware für Handys oder fest installierte, elektronische Helfer haben in den vergangenen Jahren zwar immer neue Marktanteile erobert, doch inzwischen steigt bei Deutschlands Autofahrern auch das Interesse am gedruckten Kartenmaterial wieder an. Ein Fachverlag, der für einen Mineralölhersteller Straßenkarten und Atlanten auflegt, verzeichnet vor allem bei den Übersichtskarten einen ansteigenden Trend. So wurden 2010 an den rund 2500 Stationen dieses Unternehmens in Deutschland fast 20 Prozent mehr Übersichtskarten "Deutschland im Maßstab 1 : 1.000.000" abgesetzt als im Vorjahr.
Woher aber dieses plötzliche Interesse an einer scheinbar veralteten Vorgehensweise? Die gedruckten Karten hätten speziell bei der Grobplanung klare Vorteile gegenüber der elektronischen Konkurrenz, erklärt dazu ein Sprecher des Verlags. Denn auf den meist kleinen Displays lasse sich zum Beispiel keine vernünftige Planung für eine längere Reise ablesen.
Unbestrittene Vorteile haben die gedruckten Karten auch bei den Kosten. Im Gegensatz zu fest installierten Navis ab Werk oder der etwas günstigeren mobilen Variante sind sie für wenig Geld zu bekommen. Da können höchstens spezielle Handy-Apps mithalten, doch eine Grobplanung ist auf den winzigen Displays nahezu unmöglich.
Kein Navi und keine Karte führen jedoch wunschgemäß ans Ziel, wenn die Aktualität des Materials nicht stimmt. Immerhin 90 Ortsumgehungen wurden bei den jetzt verfügbaren Straßenkarten hinzugefügt. Insgesamt wartet im Außerorts-Straßennetz mit einer Länge von 231 000 Kilometern durchschnittlich alle 100 Kilometer eine Neuerung auf den Autofahrer - 190 Kilometer fertiggestellte oder im Bau befindliche Autobahnen und diverse Änderungen der Streckenführung inklusive. Während klassische Karten vor allem beim Preis und mit ihrer umfassenden Übersicht überzeugen, spielen die elektronischen Wegweiser ihre Vorteile in der Detailplanung und der schnellen Orientierung aus. In diesem Fall heißt es dann nicht nur: "Gibst Du mir bitte mal den Autoatlas?", sondern auch: "Die richtige Mischung macht\'s." Und vielleicht können sich Retro und digitales Zeitalter ja dann auch irgendwo sinnvoll ergänzen.

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