Saarbrücken verändert sein Gesicht

Für die einen bedeutet es die Stärkung der Groß region, für die anderen Geld verschwendung: Bis 2020 wird das Großprojekt "Stadtmitte am Fluss" die City Saarbrückens ver ändern. Die EU will 50 Millionen Euro Förderung zuschießen. Derweil ist ein analoges Projekt in Trier noch Zukunftsmusik.

Saarbrücken verändert sein Gesicht
Foto: privat

Saarbrücken. In ganz Deutschland tobt die Diskussion um das Prozedere bei Großprojekten: Das Gerangel zwischen politischen Entscheidern und Bürgern bei Planungen wie Stuttgart 21, der Moselbrücke bei Zeltingen-Rachtig (Landkreis Bernkastel-Wittlich) oder der Brücke im Mittelrheintal hat die Frage aufgeworfen, ob prestige- und kostenträchtige öffentliche Bauvorhaben überhaupt noch durchsetzbar sind. Zu ähnlich ehrgeiziger und wegen der Kosten zumeist umstrittener Zukunftsmusik zählen auch die vielerorts initiierten städtebaulichen Vorhaben, Citys besser mit Flussufern zu verbinden: Heidelberg am Neckar, Karlsruhe am Rhein oder Mülheim an der Ruhr - überall sehen Stadtplaner auf lange Sicht große Potenziale für Gas tro nomie und Handel.

Die saarländische Hauptstadt als Bestandteil der Quattropoleregion Luxemburg-Metz-Trier-Saarbrücken setzt auf Transparenz für die Bürger bei ihrem Großprojekt "Stadtmitte am Fluss", welches stark in die Infrastruktur der City eingreifen und Verkehrsflüsse sowie Einkaufsströme anders als derzeit lenken wird. Zwar gibt es auch hier einen sogenannten Gegnerkreis (siehe Extra), doch die Einbindung der Einwohner begann früh: bereits in drei sogenannten Bürgerwerkstätten im Jahr 2008. Es nahmen jeweils rund 160 Menschen teil, deren Anregungen und Kritik von sechs interdisziplinären Projektteams berücksichtigt wurden. Diese Teams wiederum standen miteinander in Wettbewerb, um am Ende eine einvernehmliche Lösung herauszukristallisieren: Barrierefrei, wirtschaftlich, alltagstauglich, gut gestaltet und zu realistischen Bedingungen finanzierbar musste sie laut Kriterienkatalog sein.

"Wichtig ist, dass wir das gesamte Vorhaben in Modulen aufbauen", betont Baudezernentin Rena Wandel-Hoefer. Statt eines monolithischen Rundumschlags gibt es also Flexibilität, falls sich Teilaspekte als nicht oder nicht gut realisierbar herausstellen. Bis 2013 sollen erste Projektbausteine umgesetzt sein, so zunächst die Umgestaltung der Berliner Promenade, der Eisenbahnstraße oder des Osthafens. Weitere planungsrechtliche Vorbereitungen sollen innerhalb dieses Zeitraums in trockenen Tüchern sein. Der krönende Abschluss kann - wenn alles wie vorgesehen läuft - eine Verlegung der innerstädtischen Autobahn 620 in einen hochwassersicheren Tunnel im Jahr 2020 sein. Die bisherige Trasse soll dann für hochwertige und innenstadtgemäße Nutzungen umgewidmet werden.

"Wir haben bei der EU einen Großprojektantrag gestellt und warten nun - nach erfolgter Beantwortung noch offener bau- und planungsrechtlicher Fragen - auf die schriftliche Resonanz aus Brüssel. Mit einer solchen EU-Hilfe ist das Ganze nicht nur finanziell leichter zu stemmen und zu koordinieren, als wenn wir jedes Modul extra beantragen müssten", sagt Wandel-Hoefer. "Wir bekommen mit dem Status eines EU-Großprojektes eine Art Gütesiegel für die Qualität des Vorhabens."

Lebensqualität für die Quattropole



Qualität ist aus ihrer Sicht das zentrale Stichwort, und zwar Lebensqualität. Das Projekt "Stadtmitte am Fluss" soll für die gesamte luxemburgisch-deutsch-französische Grenzregion langfristig wirkende Impulse setzen, um mit sogenannten weichen Faktoren die überall benötigten Fachkräfte zu locken und zu halten. "Wir stehen nicht im Wettbewerb gegeneinander, sondern es geht darum, angesichts des demografischen Wandels den ganzen Städteverbund und die kulturelle, historische und wirtschaftliche Dynamik der Quattropole zu stärken." Das Großprojekt müsse Element des gemeinsamen Außenmarketings sein, welches "den Charme der Provinz, aber die Power der Metropolen" kommuniziert. Oberbürgermeisterin Charlotte Britz jedenfalls nennt in ihrem Statement zum Internetauftritt von "Stadtmitte am Fluss" eine Einkommenssumme von rund 207 Millionen Euro, die zusätzlich in die Region Saarbrücken kommen könne. Dies ergebe eine unabhängige Kosten-Nutzen-Analyse, die für den EU-Großprojektantrag notwendig war.

Trier, die andere deutsche Quattropole-Stadt, hat vor rund zwei Jahren eine städtebauliche Rahmenstudie zum Thema "Stadt am Fluss" erstellen lassen. "Hier ging es im Grundsatz darum, Flächen für unterschiedliche Nutzungen wie Freizeit, Natur oder Bauen entlang des Moselufers zu definieren und mit groben Projektskizzen inhaltlich zu belegen", schildert Iris Wiemann-Enkler vom Stadtplanungsamt Trier den Ansatz.

"Momentan sind wir im Rahmen unserer derzeitigen finanziellen Möglichkeiten dabei, kleinere Maßnahmen besonders im Unterhaltungs bereich der Grünflächen umzusetzen. Dies betrifft die Pflege des Uferbereichs, aber auch die Möglichkeit, durch den Rückschnitt von Büschen und Bäumen die Zugänglichkeit des Ufers für die Bürgerinnen und Bürger zu verbessern. Bauliche Maßnahmen in größerem Umfang können zurzeit leider weder geplant noch realisiert werden." Die Stadt versuche jedoch bei jedem Bauvorhaben am Moselufer, das Generalthema mitzuberücksichtigen - wie etwa beim Hochwasserschutz am Nordbad. "Parallel loten wir für den Bereich der Römerbrücke wie für das Umfeld der Kranen weitergehende Ideen und Planungsansätze aus, im Rahmen eines freiraumplanerischen Wettbewerbs, der bis Mitte 2012 läuft. Details sind aber noch in Vorbereitung." Die Förderung Ganz reibungslos geht das Projekt "Stadtmitte am Fluss" in der saarländischen Landeshauptstadt nicht über die Bühne. Die Finanzierung des geplanten hochwassersicheren Autobahntunnels als Highlight des Gesamtprojekts ist derzeit umstritten zwischen Stadt und Umweltministerium des Landes. Beide werfen sich gegenseitig vor, die jeweiligen Vereinbarungen zur Kostenübernahme nicht einhalten zu wollen; beide weisen diesen Vorwurf zurück. Der Hintergrund: Die Stadt Saarbrücken bekundet, sie stehe zu ihrer Zusage unter der Prämisse, dass der Bund den Tunnel substanziell finanziert. Doch der Bundesrechnungshof hatte die Zusage des Bundes über eine Bezuschussung in Höhe von 64 Millionen Euro kritisiert und betrachtet nur 22,2 Millionen Euro an Bundesförderung als gerechtfertigt. Ansonsten könnten Bundesmittel für die Stadtentwicklung zweckentfremdet werden. Eine Lösung für das Problem ist bislang nicht in Sicht.Extra Bereits 2005 formierte sich ein kleiner Kreis von Kritikern des Projekts. Sie argumentieren, die "Stadt- mitte am Fluss" setze nicht bei den eigentlichen Pro blemen der Stadt an. Sie befür chten eine Kosten lawine, die den entschei denden Aus schlag für den Verlust der Eigenständigkeit des Saarlands liefern werde. Die Folgekosten des Projekts werden nach ihrer Ansicht dauerhaft Kommunal- und Landesmittel binden. Wäh rend einer geschätzten Bauzeit von fünf Jahren wer de zudem der (Einkaufs-) Tourismus einbrechen. www.gegnerkeis.de

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