Ein ebenso fragiler wie fragwürdiger Fetisch

Zur Berichterstattung über die Heilig-Rock-Wallfahrt 2012 in Trier:

"Und führe zusammen, was getrennt ist." Diese Bitte als Leitwort der nächsten Heilig-Rock-Wallfahrt kommt ohne Zweifel aus dem Geiste Jesu. Es stimmt auch: 2012 sind 500 Jahre vergangen, seit der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, Maximilian I., 1512 zum Reichstag nach Trier eingeladen und eine öffentliche Zurschaustellung des "Heiligen Rocks" veranlasst hatte. Aber dass die in Trier als Tunika Jesu gezeigte Textilie eine "enorme Geschichte" hat, kann vor der Geschichte nicht bestehen.

Helena, die Mutter des Kaisers Konstantin, hat der Legende nach von einer Reise 327 ins Heilige Land das ungeteilte Gewand Christi nach Trier gebracht. 1196 verpackte man das Gewand in eine Kiste und mauerte es im Ostchor des Trierer Domes ein. Dort verblieb es bis zum 14. April 1512, als Maximilian forderte, das Gewand der Öffentlichkeit zur Verehrung zu zeigen.

Die von Helena legendär nach Trier gebrachte Stoffreliquie ist nicht mehr zu sehen. Sie ist zerstückelt eingehüllt in ein neues Kleid, gleichsam in ein Textilreliquiar, das dem Stil eines liturgischen Gewandes aus dem 16. Jahrhundert entspricht. Die Unechtheit der im Trierer Dom gezeigten Reliquie als Tunika Christi - als Heiliger Rock propagiert - ist historisch nicht zu bestreiten. Dieses Kleidungsstück ist nicht das nahtlose Leibgewand Jesu, über das die römischen Soldaten das Los geworfen haben, wie Professor Erwin Iserloh, Kirchenhistoriker, schon vor über 50 Jahren nachgewiesen hat.

Die Frage, ob dieser Rock in Trier echt oder unecht sei, mit den Worten zu überspielen: "Es steht ja kein Namensschild Jesus Christus drin", ist grotesk und stellt die Glaubwürdigkeit dieser Wallfahrt fundamental in Frage. Man nimmt in Kauf, mit einem Fetisch Hunderttausende nach Trier zu locken und sie im naiven Glauben zu lassen, den Heiligen Rock, das Gewand Christi, sehen zu können.

2012 sollte die letzte Heilig- Rock-Wallfahrt sein! Es ist Zeit, dieses ebenso fragile wie fragwürdige Textilstück wieder einzumauern! Es darf nicht einmal mehr der Verdacht aufkommen, dass die Religion, und das gilt auch für die "Heilig Rock-Wallfahrt", Opium des Volkes ist, wie Karl Marx, 1818 in Trier geboren, vor 170 Jahren beklagte.

Was würde Jesus dazu sagen, wenn für die Wallfahrt drei Millionen Euro bereit gestellt sind, aber Kindergärten Zuschüsse gekürzt oder gar geschlossen werden und Missbrauchsopfern eine angemessene Entschädigung vorenthalten wird?

Bernhard Arens, Dülmen



katholische kirche

Ein ebenso fragiler wie fragwürdiger Fetisch

"Und führe zusammen, was getrennt ist." Diese Bitte als Leitwort der nächsten Heilig-Rock-Wallfahrt kommt ohne Zweifel aus dem Geiste Jesu. Es stimmt auch: 2012 sind 500 Jahre vergangen, seit der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, Maximilian I., 1512 zum Reichstag nach Trier eingeladen und eine öffentliche Zurschaustellung des "Heiligen Rocks" veranlasst hatte. Aber dass die in Trier als Tunika Jesu gezeigte Textilie eine "enorme Geschichte" hat, kann vor der Geschichte nicht bestehen. Helena, die Mutter des Kaisers Konstantin, hat der Legende nach von einer Reise 327 ins Heilige Land das ungeteilte Gewand Christi nach Trier gebracht. 1196 verpackte man das Gewand in eine Kiste und mauerte es im Ostchor des Trierer Domes ein. Dort verblieb es bis zum 14. April 1512, als Maximilian forderte, das Gewand der Öffentlichkeit zur Verehrung zu zeigen. Die von Helena legendär nach Trier gebrachte Stoffreliquie ist nicht mehr zu sehen. Sie ist zerstückelt eingehüllt in ein neues Kleid, gleichsam in ein Textilreliquiar, das dem Stil eines liturgischen Gewandes aus dem 16. Jahrhundert entspricht. Die Unechtheit der im Trierer Dom gezeigten Reliquie als Tunika Christi - als Heiliger Rock propagiert - ist historisch nicht zu bestreiten. Dieses Kleidungsstück ist nicht das nahtlose Leibgewand Jesu, über das die römischen Soldaten das Los geworfen haben, wie Professor Erwin Iserloh, Kirchenhistoriker, schon vor über 50 Jahren nachgewiesen hat. Die Frage, ob dieser Rock in Trier echt oder unecht sei, mit den Worten zu überspielen: "Es steht ja kein Namensschild Jesus Christus drin", ist grotesk und stellt die Glaubwürdigkeit dieser Wallfahrt fundamental in Frage. Man nimmt in Kauf, mit einem Fetisch Hunderttausende nach Trier zu locken und sie im naiven Glauben zu lassen, den Heiligen Rock, das Gewand Christi, sehen zu können. 2012 sollte die letzte Heilig- Rock-Wallfahrt sein! Es ist Zeit, dieses ebenso fragile wie fragwürdige Textilstück wieder einzumauern! Es darf nicht einmal mehr der Verdacht aufkommen, dass die Religion, und das gilt auch für die "Heilig Rock-Wallfahrt", Opium des Volkes ist, wie Karl Marx, 1818 in Trier geboren, vor 170 Jahren beklagte. Was würde Jesus dazu sagen, wenn für die Wallfahrt drei Millionen Euro bereit gestellt sind, aber Kindergärten Zuschüsse gekürzt oder gar geschlossen werden und Missbrauchsopfern eine angemessene Entschädigung vorenthalten wird? Bernhard Arens, Dülmen

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