Interview „Ich bin nicht so für’s Triviale“: Sandra Kreisler tritt mit Liedern ihres Vaters Georg in Trier auf

Ihr Vater war ein bekannter deutschsprachiger Kabarettist, die Mutter eine Schauspielerin und Sängerin: Sandra Kreisler tritt mit Liedern ihres Vaters Georg am Freitag in der Europäischen Kunstakademie auf. Am Piano begleitet wird sie von einem alten Weggefährten, der in Trier ein bekannte Mann ist.

Sandra Kreisler wird am Freitag in der Europäischen Kunstakademie in Trier auftreten.

Sandra Kreisler wird am Freitag in der Europäischen Kunstakademie in Trier auftreten.

Foto: TV/Theater Trier

Sie ist die Tochter eines der bekanntesten deutschsprachigen Kabarettisten, Pianisten und Sängers: Sandra Kreisler. Ihr Vater ist Georg Kreisler (1922 – 2011); ihre Mutter die in Aachen geborene Schauspielerin und Sängerin Topsy Küppers. Als Schauspielerin tritt sie an zahlreichen Bühnen in Deutschland und Österreich auf; sie wirkt in Fernsehfilmen mit, schreibt Bücher und arbeitet als Lehrerin.

Frau Kreisler, Ihr Vater war als Sänger, Texter und Komponist eine ziemlich einzigartige Erscheinung in der deutschsprachigen Kabarett-Landschaft. Wann haben Sie sich entschlossen, sein Erbe anzutreten?

Sandra Kreisler: Ich habe länger gezögert, weil ich ja wusste, dass die Leute immer mit einem Vorurteil in die Vorstellung kommen: „Das ist die Tochter, die hängt sich an den Namen des Vaters“ oder so. Ich habe lange alle möglichen anderen Sachen gesungen. Aber die Lieder sind einfach zu gut, und die Veranstalter haben auch stets danach gefragt. Doch erst, als ich mit Jochem Hochstenbach einen wirklich rundherum genialen Musiker gefunden habe, der diese Lieder auch in ihrer Seele versteht, habe ich mich entschlossen, so ein Programm zu machen.

Gehört Mut dazu, sich dem Vergleich mit Ihrem Vater zu stellen? Haben Sie sich deshalb eher auf seine „unbekannten“ Lieder konzentriert?

Kreisler: Ich weiß nicht, ob es Mut ist – man muss sich in das Unausweichliche schicken, man wird verglichen, egal was man tut. Aber die unbekannten Lieder singe ich, weil die bekannten ja eh gesungen werden. Und es gibt so viel schöne, bessere, spannendere Lieder, die kaum eine Plattform bekommen. Ich mache das ja als Hommage an den Künstler Georg Kreisler, der es verdient, dass die Menschen erfahren, wie großartig er war.

Ihr Vater hat sich Zeit seines Lebens mit seinem Judentum auseinandergesetzt; er hat in seinen biografischen Schriften des öfteren darauf hingewiesen, dass es seine Zusammenarbeit mit nicht-jüdischen Kollegen beeinflusst beziehungsweise  auch beeinträchtigt hat. Hat sich an den Bedingungen, die Sie in der Zusammenarbeit mit Ihren Kolleg(inn)en vorfinden, inzwischen etwas verändert?

Kreisler: Ich dachte immer, mein Vater übertreibt. Erst seit ich selbst auf eigenen Beinen stehe, selbst freischaffend und in Deutschland lebe, merke ich, wie recht er hatte. Das Schlimme am derzeitigen Antisemitismus ist, dass er ignoriert und kleingeredet wird! Das ist ganz ähnlich wie beim Sexismus und der Misogynie. Wer auf den Dreck hinweist, ist immer der Nestbeschmutzer. „Hab dich nicht so“, „ist doch nicht so gemeint“… das hört man dann. Die Documenta 15 und die Diskussion drumrum haben das wieder exemplarisch gezeigt. Deswegen habe ich auch ein Buch zum Thema geschrieben: „Jude sein. Ansichten über das Leben in der Diaspora“. Natürlich steigt der Antisemitismus enorm an, vor allem im Schlepptau der meistens einseitigen und tendenziösen Berichterstattung über Israel. Heute sagt man nicht, „Der Jud‘ säuft Kinderblut“ – man sagt „Kindermörder Israel.“ Die Beschuldigungen sind genauso lügenhaft, nur etwas modernisiert.

Sie treten selbst mit Programmen jüdischer Lieder auf, in denen der Humor eine wichtige Rolle spielt. Wie definieren Sie jüdischen Humor?

Kreisler: Ich glaube, die Haupteigenschaft von jüdischem Humor ist die Lakonie. Man weiß, es ist schlecht, also möchte man wenigstens Witze darüber machen können. So wie der jüdische Kabarettist Fritz Grünbaum, der angeblich im KZ beim Schleppen schwerer Steine während des Arbeitsdienstes im Steinbruch zu seinem Nebenmann sagte: „Und die draußen glauben, wir sitzen.“ Der jüdische Witz sieht auch immer ein „andererseits“ – und das gibt uns die Kraft.

 Sie sind auf vielen künstlerischen Feldern aktiv – Schauspielerin, Sängerin, Sprecherin, Lehrerin. Gibt es für Sie einen beruflichen Schwerpunkt?

 Kreisler: Nein, das kann man so nicht sagen (lacht). Autorin haben Sie vergessen, das bin ich auch. Derzeit arbeite ich an einem regelmäßigen Podcast, mit dem schönen Namen „Israels kurze 5000 Jahre“. Da erzähle ich die Geschichte Israels vom Neolithikum bis heute nach, zwar wissenschaftlich genau und nachprüfbar, aber trotzdem heiter und unterhaltsam – da lerne ich viel, und schreibe und lese. Ich kann nicht sagen, was ich lieber mache – immer das, was ich gerade tue. Hauptsache, es hat einen Inhalt, den ich als sinnvoll empfinde. Ich lache zwar gern, aber ich bin nicht so für’s Triviale.

Der Pianist, mit dem Sie in Trier auftreten, ist kein Unbekannter für Sie: Mit Jochem Hochstenbach, Sie erwähnten ihn bereits, haben Sie 2003 die CD „Kreisler singt Kreisler“ aufgenommen. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?

Kreisler: Jochem Hochstenbach ist für mich einer meiner wirklich großen Glücksfälle im Leben. Wir lernten uns vor gefühlten 100 Jahren in Wien kennen, in der legendären „Broadway Bar“, wo nebeneinander so unterschiedliche Leute wie Chick Corea, Leonard Bernstein, Helmut Qualtinger und Udo Jürgens saßen – und wo wir zuerst gemeinsam Musik machten. Jochem ist mit Musik so eng verbunden wie ich mit dem Wort; er ist ein ungeheuer vielseitiges, musikalisches Genie und einer der liebsten und klügsten Menschen, die ich kenne. Ich bin sehr stolz, dass ich ihn inzwischen meinen engen Freund nennen darf. Trier muss enorm glücklich sein, ihn „gekapert“ zu haben. Und wenn er mich für ein Konzert ruft, komme ich sofort.

„Kreisler singt Kreisler“, Freitag, 2. Dezember, Europäische Kunstakademie, 19.30 Uhr; Karten unter Telefon 0651/718-1818.

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