Frösche, Prinzen und die Realität: Wie die Generation Y mit Liebe, Partnerschaft und dem Wunsch nach Kindern umgeht - Teil 10 der TV-Serie

Trier · Sie dürfen alleine leben, in einer Beziehung - ob verheiratet oder nicht, ob mit Kindern oder ohne: Junge Leute von heute sind so frei wie nie zuvor bei der Wahl ihres Lebensentwurfs. Dann müsste Privatleben ja heute ganz unkompliziert sein, oder? Der TV hat bei der jungen Generation nachgefragt.

Trier. "Mit 15 dachte ich, mit 25 wäre ich verheiratet, mit 25 dachte ich, mit 30 hätte ich Kinder, mit 30 dachte ich … ach leckt mich!" So lautet das Motto einer jungen Frau, das sie bei Whats App postet. Sie ist gerade 30 geworden und bringt den Beziehungstrend der Generation Y provokant auf den Punkt. Junge Leute heiraten - wenn überhaupt - immer später und bekommen - wenn überhaupt - immer später Kinder. Soweit die Fakten.

Dabei sucht die Generation Y eigentlich nach festen Partnerschaften, erklärt der Trierer Soziologie-Professor Dr. Waldemar Vogelgesang. Die Form der Beziehung verändere sich. Das Familienideal sei nicht mehr unbedingt die Ehe, aber ganz klar eine feste Beziehung. Außerdem gehören für junge Menschen aus der Region zwei Kinder zum glücklichen Leben. Einer von Vogelgesang geleiteten Studie zufolge wünschen sich 74 Prozent Kinder. Soweit das Ideal.

Allerdings schieben die "Ypsiloner" viele Lebensentscheidungen wie eben die Familiengründung auf. Woran liegt das? Die Generation Y muss beruflich flexibel sein. Arbeitsverträge sind in der Regel befristet. Ein Studium garantiert in vielen Bereichen nicht mehr unbedingt einen festen Job mit gutem Gehalt. Das heißt, es gibt weder finanzielle noch räumliche Sicherheit.

Deshalb müssen junge Menschen kreativ werden, was ihre Lebensplanung betrifft. Die ganz normale Ehe in einem Haus mit mehreren Kindern wird seltener, erklärt Vogelgesang. An ihre Stelle rücken Singles, Fernbeziehungen, Alleinerziehende und nichteheliche Lebensgemeinschaften. "Das große Spektrum des Regenbogens hat deutlich zugenommen", stellt der Soziologe fest.

Der TV hat bei Menschen aus der jungen Generation nachgefragt, wie sie sich ihr Privatleben vorstellen und wie sie leben.

Die Partnersuche
Charlotte (sämtliche Namen wurden von der Redaktion geändert) steht fest im Leben. Sie hat einen guten Job, eine eigene Wohnung. Und: Sie ist Single. Seit ihrer Jugend lautet ihr Motto: "Man muss viele Frösche küssen, bis ein Prinz draus wird."

Nun ist sie 29 Jahre alt. Frösche hat sie mittlerweile viele geküsst. Ein Prinz war bislang nicht dabei. Warum nicht? Wie sähe ihr Traumprinz aus? "Dass man zusammen lachen kann", sagt Charlotte und denkt darüber nach, was ihr wichtig ist. "Dass man ähnliche Wertvorstellungen hat, Humor, Vertrauen … und dass man aufeinander achtet, dass man sich mit Respekt begegnet."

Natürlich habe man heute ganz andere Vorstellungen als mit 16. "Damals hat man ans Jetzt gedacht", erklärt sie, "heute fragt man sich, kann ich mir vorstellen, mit dem ein Kind zu haben und zu leben? Passt das zu meiner Arbeit, zu meinem Leben? Jetzt muss er zu meinem Lebensplan passen."

Mit diesem Anspruch steht Charlotte nicht alleine da, sagt Dr. Tobias Gschwendner, Diplom-Psychologe und Leiter der Lebensberatungsstelle des Bistums Trier: Die Ansprüche an sich selbst und an den (potenziellen) Partner seien gestiegen, erklärt er.

Freiheit sei sehr wichtig. Und Unabhängigkeit - sowohl finanziell als auch von den Eltern. Außerdem Zeit für den Freundeskreis und eigene Hobbys. Und das gelte nicht nur für einen selbst, sondern auch für den Partner. "Wer diese Ansprüche nicht erfüllt, ist für viele unattraktiv", erklärt Gschwendner.

Die Partnerschaft
Daniel will sich in einer Partnerschaft nicht verbiegen. "Man sollte so sein können, wie man ist", sagt er, "und sich nicht den Erwartungen des Partners anpassen." In einer perfekten Beziehung verbringe man gerne Zeit miteinander, lasse aber trotzdem dem anderen seine Freiheit und hänge nicht nur aufeinander.

Der 32-Jährige verlangt mehr Freiraum von seiner Freundin, als sie von ihm. "Das liegt aber auch daran, dass sie einen Nachmittag in der Woche frei hat und abends früher nach Hause kommt", erklärt er, "wenn ich heimkomme, brauche ich erst mal meine Ruhe."

Daniel gehört zu den jungen Menschen, die trotz guten Studienabschlusses für wenig Gehalt viele unbezahlte Überstunden machen. Die veränderte Arbeitswelt spiele stark in die Beziehungen junger Leute hinein, erklärt Vogelgesang: Die Schwierigkeit bestehe darin, "Ausbildung, berufliche Integration und Partnerschaft mit Familie miteinander in Einklang zu bringen", schreibt er in seiner Studie. Das ist gar nicht so einfach, weiß Gschwendner. In einer Beziehung gehe es um die Bereitschaft, zu verzichten. Früher verzichtete selbstverständlich die Frau. Heute nicht mehr. Deshalb müsse verhandelt werden.

Daniel verdient weniger als seine Freundin und hat schlechtere Arbeitszeiten. "Wir haben uns echt schon überlegt, dass ich dann vielleicht zu Hause bleibe, wenn wir mal Kinder haben", sagt er.

Die Familienplanung
"Habt ihr nicht manchmal Angst, dass wir den Zeitpunkt, Kinder zu bekommen, einfach verpassen?", fragt Daniels Partnerin Linda zwei Freundinnen. Die drei sind um die dreißig, leben seit Jahren in festen Beziehungen und wohnen mit ihren Freunden zusammen. Und: Sie sind nicht verheiratet und haben keine Kinder. Eigentlich wollen sie welche. Aber jetzt noch nicht. Warum nicht?

"Ich will unabhängig sein - zeitlich und finanziell. Gerade jetzt nach dem Studium, nachdem ich so lange auf meine Eltern angewiesen war", sagt Linda. Ihre Freundin Kathrin stimmt ihr zu. "Und bei mir kommt dazu, dass ich Angst habe, dieser Aufgabe noch nicht gewachsen zu sein, dass mir das alles zuviel ist. Ich bin so schon immer total schnell gestresst", erklärt sie. Und die Angst geht irgendwann weg? "Nein das glaube ich nicht. Man muss sich einfach irgendwann trauen und es dann auf sich zukommen lassen", sagt Kathrin.

Trifft die Generation Y Lebensentscheidungen bewusster? Die Frage kann Gschwendner aus seiner Erfahrung als Lebensberater bejahen. So schlecht ist es aber doch gar nicht, wenn man vorher darüber nachdenkt, ob man Kinder möchte und wenn, unter welchen Rahmenbedingungen, oder? Das stimmt, sagt Gschwendner. Aber irgendwann zwischen 28 und 35 Jahren sollten Paare sich für oder gegen Kinder entscheiden. Sonst habe man den Zeitpunkt tatsächlich irgendwann verpasst.

Was bewegt die Jugend? Und wie verändert sie die Gesellschaft? Fragen, die der Volksfreund in der Serie "Generation Y" beantwortet. Eine Generation, geboren nach 1975 und benannt nach dem englischen Wort why (warum?). Im nächsten Teil geht es darum, wie sich junge Leute in die Gesellschaft einbringen. Unter www.volksfreund.de/geny gibt es weitere Serienteile, Videos, Bilder und Zusatz-Infos rund um die Generation Y.Meinung

Egoistisch sind viele Arbeitgeber!Von Andrea Weber
Hurra! Die Emanzipation ist da. Die Frau von heute kann alles haben. Karriere und Kinder. Kann sie? Kann sie nicht. Richtig ist, die Politik hat sich bewegt: Elternzeit, Kinder- und Elterngeld, Kinderbetreuung. Wer sich keinen Zentimeter bewegt, sind einige Arbeitgeber. Manche Unternehmen - auch in der Region - bemühen sich zwar, Teilzeit oder flexible Arbeitszeiten sind aber immer noch nur in manchen Positionen möglich. In Führungspositionen meist nicht. Jungen Leuten wird Egoismus vorgeworfen. De facto hangeln sie sich von einem befristeten Vertrag zum nächsten, bekommen nach dem Studium schlechte Gehälter oder leben gar von Leiharbeit oder Werksverträgen. Wer ist da egoistisch?! Frauen wollen keine Kinder mehr? Falsch! Viele Arbeitgeber wollen keine. Immer mehr junge Männer übernehmen Verantwortung und nehmen - zumindest ein paar Wochen - Elternzeit. Danke dafür! Denn auch sie lernen jetzt die (Nicht)-Vereinbarkeit von Familie und Beruf kennen. Aber nur so geht\'s! Nur so übernehmen hoffentlich auch Arbeitgeber irgendwann Verantwortung. a.weber@volksfreund.deExtra: Die Ehe und alternative Lebensformen

Laut einer Erhebung des Statistischen Landesamts sind immer weniger Menschen im Alter von 20 bis 40 Jahren verheiratet. Waren 1993 noch 53,4 Prozent dieser Altersgruppe verheiratet, sind es im Jahr 2013 nur noch 30,4 Prozent.

Dies deckt sich auch mit der Gesamtzahl der Eheschließungen, die von 1950 bis 2012 stetig abgenommen haben Die Zahl der Ehen sinkt, das Alter der Paare bei der Hochzeit steigt: Lag das durchschnittliche Heiratsalter der Frau 1950 bei 25,2 Jahren, war es 2012 schon auf 30 Jahre angestiegen.

1970 waren Frauen sogar im Schnitt erst 21,8 Jahre alt, wenn sie den Bund der Ehe eingingen. Der Mann war im Schnitt zwei bis drei Jahre älter, wenn er heiratete. 2012 heiratete der durchschnittliche Mann im Alter von 33 Jahren. Quelle: Statistisches Landesamt Die Lebensformen verteilten sich im Jahr 2011 nach einer Erhebung des Statistischen Landesamtes in Rheinland-Pfalz folgendermaßen: 17,6 Prozent der 20- bis 39-Jährigen lebten in Singlehaushalten, 53,6 Prozent lebten in Ehen, 15,6 Prozent in nicht ehelichen Lebensgemeinschaften, 7,2 Prozent waren alleinerziehende Mütter und 1,5 Prozent alleinerziehende Väter. 4,3 Prozent lebten in Wohngemeinschaften. aweb

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