Ja zu Glaube und Ritualen, nein zu Bevormundung und Zwang - TV-Serie Generation Y (Teil 5)

Trier · Die Generation Y weiß, was sie will: Sie glaubt, aber sie möchte selbst entscheiden was, wie und wo. Sie kritisiert die Kirche, aber sie braucht sie auch. Besonders, wenn es um den Tod geht.

Ja zu Glaube und Ritualen, nein zu Bevormundung und Zwang - TV-Serie Generation Y (Teil 5)
Foto: (g_kultur

Manche glauben an die Wiedergeburt, andere an das Paradies. Für den Buddhisten ist die Gompa ein heiliger Ort, für den Katholiken ist es die Kirche. Dort gibt es den einen Gott, woanders gibt es viele. Das Buch nennt sich Koran, nennt sich Bibel, nennt sich Thora. Große Kreuze, kleine Malas, goldene Menoras, bunte Kopftücher - Religion ist Vielfalt, die Generation Y ist es auch.

Waldemar Vogelgesang von der Universität Trier hat den Glauben junger Menschen genauer untersucht. Er fand heraus, dass die Beziehung Jugendlicher zum Glauben und zur Institution Kirche sehr bunt ist. Vor allem: individuell.

Vogelgesang hat eine Befragung zwischen 14- bis 25-Jährigen gemacht. In seiner Studie hat er Jugendliche der Stadt Trier und aus den Landkreisen Bitburg-Prüm und Trier-Saarburg befragt. Der Professor spricht von einem Tenor: "Religion ist zu etwas geworden, was man sich aussuchen kann." Wichtig sei den Jugendlichen ihre Selbstbestimmtheit. Die Generation Y ist kritischer geworden, hat aber teilweise sogar Verständnis für die Dogmen der Kirche, zum Beispiel im Falle des Zölibats. Sie kann die Position des Priesters verstehen, stört sich aber an der Bevormundung der Kirche. Die Generation Y möchte frei wählen können, ob sie den moralischen Regeln der Kirche in ihrem Privatleben folgt oder nicht. Bei Religions- und Sinnfragen müsse jeder seine "persönliche Linie" finden, sagt eine 17-Jährige aus der Studie. Frei nach dem Zitat Arthur Schopenhauers: "Der Glaube ist wie die Liebe. Er läßt sich nicht erzwingen."

Durch den wissenschaftlichen Fortschritt haben sich die Fragen, die Religion beantworten kann, verschoben. Der Glaube kommt bei Umbruchs- und Krisensituationen wie Geburt, Krankheit und Tod zum Einsatz. Die Jugendlichen bewältigen so Vergänglichkeits- und Endlichkeitserfahrungen. Gerade die Frage nach dem Jenseits interessiere sie besonders. Im Gegenzug nehme die Bedeutung im Alltag immer mehr ab. Nur noch wenige Jugendliche halten sich für sehr religiös. Auch bei der Shell Jugendstudie im Jahr 2010 kam heraus, dass für die Mehrheit der Jugendlichen Religion nur noch eine mäßige Rolle spielt.

Das bemerkt auch die Institution Kirche, bei der sich immer weniger junge Menschen bewerben. Gründe seien der demografische Wandel, aber auch die in der Öffentlichkeit diskutierten Skandale. Das Bistum Trier will dieser Entwicklung mit einer positiveren Selbstdarstellung entgegenwirken.

Laut Vogelgesang hat die Rate der Konfessionslosen sich zwischen 1991 und 2005 verdoppelt. Fakt sei aber auch - da sei sich die religionswissenschaftliche Forschung einig -, dass die Konfessionszugehörigkeit nicht unbedingt was mit der Glaubensbindung zu tun hat. Im Gegenteil, die großen christlichen Kirchen spüren die Abwesenheit der jungen Leute seit den 1960ern.

Während die kirchlichen Angebote immer weniger wahrgenommen werden, nehmen die Deutungsangebote zu. Das liege vor allem an der modernen Gesellschaft, die globaler geworden ist. Der moderne Mensch richte sich sein Leben nach seinem Gusto ein. "Er ist von überkommenen Traditionen weitestgehend entbunden und kann sich auf einem Markt von Sinnmustern und Lebensentwürfen selbst bedienen." Vogelgesang spricht in seinem Artikel auch vom "Markt der Religionen".

Jeder habe die Möglichkeit, sich über verschiedene Sinnstiftungsangebote zu informieren und, wenn er möchte, von ihnen Gebrauch zu machen. Ein weiteres Phänomen der Generation Y sei, dass sie verschiedene Glaubensrichtungen oder Rituale miteinander kombiniert.

Martin Lörsch, Theologe der Universität Trier, erklärt, es komme nicht selten vor, dass Menschen aufgrund des eigenen Lebensverlaufs in ihrer Religion bereits negative Vorstellungen von Gott ‚mitbekommen haben\' und dieses Bild dann der Kirche zuschreiben. "Zur Entlastung von diesem Druck wählt man aus dem reichen Schatz unterschiedlicher Religionen passende, also entlastende und tröstende Elemente aus und setzt sie collageartig zur eigenen individuellen Religion zusammen", sagt Lörsch. Liegen so etwa Kreuz und Mala in Zukunft nebeneinander? Verschmelzen die Wiedergeburt und das Paradies? Jeder Glaube ist einzigartig. Für was hat sich die Generation Y in der Region entschieden? Sieben "Ypsiloner" verraten, an was sie glauben und warum.

Was bewegt die Jugend? Und wie verändert sie die Gesellschaft? Fragen, die der Volksfreund in der Serie "Generation Y" beantwortet.
Eine Generation, geboren nach 1975 und benannt nach dem englischen Wort why (warum)? Im nächsten Teil beschreiben wir, wie sich das Ausgehverhalten verändert hat.Extra

Die Generation Y liegt mit ihren Kirchenaustritten klar in der goldenen Mitte. Laut Vogelgesang denken aber immer mehr Jugendliche über einen Austritt nach, und nur noch drei Prozent fühlen sich sehr stark mit einer Religionsgemeinschaft verbunden. Die aktive Teilnahme an religiösen Gruppen ist gering - 13 Prozent gaben ein "Ja" an, 87 Prozent ein "Nein". Nach der Statistik des Bistums Trier aus dem Jahr 2013 sind von allen Ausgetretenen etwa 21 Prozent zwischen 18 und 29 Jahre alt. Interessant ist, dass die höchste Austrittsrate bei den 40- bis 59-Jährigen zu finden ist; sie liegt bei jeweils 25 Prozent. Treu bleibt ihnen weiterhin die ältere Generation (60-69), hier sind es nur zwei Prozent. sjs

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