Verkehrsministerium verschärft Sanktionen Wenn bei der Führerscheinprüfung manipuliert wird

Exklusiv | Berlin · Bei der theoretischen Führerscheinprüfung wird laut TÜV und Dekra immer häufiger betrogen. Jetzt zieht das Verkehrsministerium die Daumenschrauben an und erhöht die Sperrfrist bei Täuschungsversuchen. Ob das ausreicht?

 Die Prüforganisationen schlagen Alarm: Bei der Führerscheinprüfung wird immer häufiger manipuliert. Jetzt reagiert die Politik.

Die Prüforganisationen schlagen Alarm: Bei der Führerscheinprüfung wird immer häufiger manipuliert. Jetzt reagiert die Politik.

Foto: dpa-tmn/TÜV Süd

Mal tritt jemand mit falscher Identität auf, um für einen anderen die Prüfung abzulegen, mal wird der Kandidat mit feinster Technik ausgestattet, damit ihm die Antworten vorgesagt werden können – bei der theoretischen Fahrprüfung wird immer öfter getäuscht und getrickst. Die technischen Prüfstellen schlagen deshalb Alarm. Nach Informationen unserer Redaktion will das federführende Bundesverkehrsministerium jetzt schärfer gegen erwischte Betrüger vorgehen und sie deutlich länger für eine erneute Prüfung sperren. Doch Experten bezweifeln, dass das ausreicht.

Nur eine schnöde Schummelei? Keineswegs, heißt es bei Dekra und TÜV Rheinland. Manipulationsversuche bei Fahrerlaubnisprüfungen seien angesichts ihrer möglichen Folgen für die Verkehrssicherheit alles andere als ein Kavaliersdelikt. Denn wer trickse, gefährde die Gesundheit aller Verkehrsteilnehmer, so TÜV-Experte Jörg Meyer zu unserer Redaktion. Ein solches Vorgehen sei auch nicht mit einer durch Schummelei bestandenen Mathematikprüfung vergleichbar, heißt es bei der Dekra. Denn: Wird die Manipulation nicht entdeckt, besteht der Kandidat zwar die theoretische Prüfung, ohne aber nachgewiesen zu haben, dass er die Regeln für das Führen eines Kraftfahrzeugs und das richtige Verhalten im Straßenverkehr auch kennt. Damit wird er zur Gefahr, zum Sicherheitsrisiko für andere auf der Straße.

Immer häufiger kommen nach Angaben der beiden Organisationen Betrügereien vor. Oftmals stecke „professionelle, kriminelle Energie dahinter“, berichtet Meyer. Bei der Theorieprüfung würden sogar „High-Tech-Kameras und Spionagetechnologien“ eingesetzt. An der Brille, im Knopfloch des Hemdes und mit Mini-Stöpseln im Ohr, während woanders jemand per Laptop die Prüfungsfragen beantwortet. Die Hintermänner erhielten dann für ihre Dienste viel Geld. „Wir wissen für die Prüfungen bei TÜV Rheinland, dass die Zahl aufgedeckter Fälle in den vergangenen fünf Jahren stark zugenommen hat“, erläutert Meyer. 500 bis 600 Manipulationsversuche seien zuletzt enttarnt worden, „bundesweit sind es mehrere Tausend“. Bei den etwa 300.000 theoretischen Prüfungen, die allein der TÜV Rheinland jährlich durchführe, sei die Zahl auf den ersten Blick zwar relativ gering. „Doch die Dunkelziffer dürfte enorm sein“, betont Meyer.

Ähnlich fällt auch die Bilanz von Dekra-Experte Wolfgang Sigloch aus. In sechs Bundesländern - Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen - nehme man die theoretischen Prüfungen ab. Nach jüngsten Zahlen seien gut 500 Manipulationsversuche festgestellt und gemeldet worden. Mit Abstand am zahlreichsten waren die Täuschungsvorhaben in Berlin - mehr als 240. Auch Sigloch sagt, bei insgesamt mehr als 260.000 abgenommenen Theorieprüfungen spiele das Thema „alles in allem noch eine überschaubare Rolle“. Allerdings habe die Zahl der Manipulationsversuche von etwa 50 Fällen im Jahr 2013 auf rund 570 Vorkommnissen in 2019 deutlich zugenommen. „Deshalb nehmen wir bei Dekra das Thema sehr ernst.“

Das Problem ist jetzt auch endlich in der Politik angekommen. In einer unserer Redaktion vorliegenden, gemeinsamen Verordnung von Verkehrs-und Bundesinnenministerium heißt es, man werde die Sperrung für eine Wiederholungsprüfung deutlich erhöhen. Die bisherige Frist im Falle eines entdeckten Täuschungsversuches „von sechs Wochen entfaltet keine ausreichende abschreckende Wirkung“, so die beiden Ressorts. „Daher sollen nun mit einer längeren Sperrfrist Täuschungsversuche sanktioniert werden und Fahrerlaubnisbewerber von dem Versuch der Täuschung abgeschreckt werden.“ Bis zu neun Monate müssen Trickser dann aussetzen und warten, bevor sie wieder eine Prüfung ablegen dürfen. Auch Einzeltests sollen dann möglich sein, sicher ist sicher. Erste Bundesländer haben freilich m Rahmen ihrer Ermessungsspielräume schon schärfere Sanktionen eingeführt – etwa die sechsmonatige Sperrung eines Führerscheinkandidaten.

Doch reichen die Pläne der Ministerien? „Wir vertreten den Standpunkt, dass schärfere Sanktionen zur Abschreckung unbedingt notwendig sind“, so Dekra-Mann Sigloch. Experten seiner Organisation haben sich freilich mehr gewünscht – sie waren unlängst in einem Fachbeitrag der Auffassung, dass zeitnah zum Vergehen dringend auch strafrechtliche Sanktion folgen müssten, die wirklich spürbar und zuverlässig seien. Auch der TÜV plädiere seit Jahren für ein härteres Vorgehen gegen schwere Täuschungen bei der Führerscheinprüfung, ergänzt Meyer. „Eine verlängerte Sperre für Betrügerinnen und Betrüger halten wir ebenso für sinnvoll wie beispielsweise eine verpflichtende Eignungsprüfung, bevor die Prüfung erneut angetreten werden kann.“ Ebenfalls wurde unlängst über die Einführung von hohen Bußgeldern diskutiert. Doch so weit will die Politik noch nicht gehen.

(has)
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