Vorschau auf die Münchner Sicherheitskonferenz Hoffen auf Friedensgrüße aus Moskau

Wolfgang Ischinger leitet an diesem Wochenende nach 14 Jahren zum letzten Mal die Münchner Sicherheitskonferenz. Er glaubt, dass ein Krieg in Europa nach abzuwenden ist und hofft, dass Russland doch noch einen hochrangigen Vertreter nach München schickt

 Hilft nur noch beten? Der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, glaubt daran, dass ein Krieg in der Ukraine noch abgewendet werden kann

Hilft nur noch beten? Der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, glaubt daran, dass ein Krieg in der Ukraine noch abgewendet werden kann

Foto: dpa/Wolfgang Kumm

Die Nachrichten aus Moskau gefallen Wolfgang Ischinger nicht: Wir kommen nicht. Ob das ein schlechtes Omen für den Frieden in Europa ist? Ischinger möchte darüber lieber nicht spekulieren. Wenn der ehemalige deutsche Botschafter in Washington und London an diesem Freitag nach 14 Jahren das letzte Mal als Vorsitzender die Münchner Sicherheitskonferenz eröffnet, hofft er immer noch darauf, dass dann wenigstens ein „autorisierter Vertreter“ der Regierung in Moskau mit im Saal des Konferenzhotels „Bayerischer Hof“ sitzt. Doch Ischinger will bei aller aktueller Gefahr selbstredend die Kriegstrommel nicht rühren. Als Diplomat sei er „im Prinzip optimistisch“. Also: „Ich glaube, dass ein Krieg abwendbar ist.“

Ischinger könnte dazu in München den russischen Außenminister Sergej Lawrow fragen. Doch Lawrow, seit vielen Jahren Stammgast der Konferenz, hat abgesagt. Und auch sonst gibt es bislang keine Zusage eines russischen Vertreters von Rang und Namen mit Draht zu Präsident Wladimir Putin. Dafür wird der ukrainische Präsident Wolodimyr Selenskij in München erwartet. Ob die russischen Absagen damit zusammenhängen, dass am Wochenende in der Ukraine womöglich schon eine Lage eingetreten ist, bei der Lawrow besser in Moskau als in München ist, kann Ischinger selbstredend nicht sagen. Er widerspricht auch Moskauer Äußerungen, wonach die Sicherheitskonferenz ein „anti-russisches Forum“ sei. Er hoffe sehr, dass Moskau doch noch einen hochrangigen Vertreter schicken werde.   

Als Vorsitzender der Konferenz begrüßt Ischinger dieses Jahr wieder rund 100 Außen- und Verteidigungsminister aus aller Welt sowie knapp 40 Staats- und Regierungschefs. Die Veranstaltung ist wegen Corona stark reduziert -- um mehr als die Hälfte der sonst üblichen Teilnehmerzahl. PCR-Test wird Pflicht. „Jeder wird jeden Tag getestet“, sagt Ischinger über ein Hygienekonzept „in Millionenhöhe“, das diese Arbeitskonferenz -- ohne das sonst übliche Galadiner des bayerischen Ministerpräsidenten – erst möglich gemacht habe.

Lawrows Impfstatus wäre vermutlich ein noch zu lösendes Problem, wollte dieser doch noch kurz entschlossen nach München kommen. Russlands Chefdiplomat ist mit Sputnik geimpft. Ähnliches gelte auch für andere russische Vertreter, die mit Verweis auf ihren Impfstoff abgesagt hätten. Das Vakzin ist in Deutschland nicht zugelassen. Doch mit einer Ausnahmegenehmigung für Lawrow käme dieser wohl doch noch ins Land. „Ich hoffe, dass wir am Wochenende in München nicht nur über Russland, sondern auch mit Russland sprechen“, betonte Ischinger bei der Vorstellung „Munich Security Report 2022“ am Montag in Berlin.

„Hilflosigkeit verlernen“ ist der Report, der auch die Überschrift zur Konferenz liefert, in Englisch („Unlearning Helplessness“) überschrieben. Der Begriff stammt aus der Depressionsforschung der 1960er Jahre, wie der Politische Direktor der Konferenz, Tobias Bunde, erläutert. Unter anderem gehe es dabei um die Unfähigkeit von Individuen, sich aus einer (erlernten) Hilflosigkeit zu befreien, obwohl sie objektiv dazu in der Lage wären. Dies passt ein wenig zur internationalen Lage, wenn man sich die Krisen, Kriege und Konflikte in der Ukraine, in Libyen, in Syrien, im Jemen oder etwa die Atomdebatte mit Iran ansehe, wo die internationale Gemeinschaft auch ein wenig hilflos wirkt.

Ischinger ist dann bei der Reise von Bundeskanzler Olaf Scholz an diesem Dienstag nach Moskau. Der Besuch sei „außerordentlich wichtig“ und könne „wegen der Choreografie möglicherweise hohe Bedeutung“ haben. Womöglich ist Scholz der letzte Regierungschef der westlichen Welt, der mit Putin persönlich vor einem Befehl zum Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine spricht, so wird spekuliert. Scholz wird am Wochenende ebenfalls in München erwartet. Die Frage deutscher Waffenlieferungen an die Ukraine sollte man „jetzt tiefer hängen“, rät der Konferenzchef. Ischinger ist wegen der internationalen Lage, die mit zum Titel über „Hilflosigkeit“ des Sicherheitsreports geführt habe, etwas zerknirscht. Sein letzter Auftritt als Vorsitzender der Sicherheitskonferenz werde „jedenfalls kein Freudentaumel“. Immerhin kommt die US-Vizepräsidentin Kamala Harris nach München. Und vielleicht kommen bis zum Wochenende doch noch Friedensgrüße aus Moskau in Richtung Ukraine.

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