Autobahnbau im Dritten Reich: Zeitzeugen aus der Region erzählen

Wittlich · Hitler hat den Deutschen die Autobahn gebaut, sagt der Volksmund. Weit gefehlt. Der Autobahnbau in Deutschland begann früher. Am 6. August 1932 wurde die erste öffentliche Autobahn vom Kölner Oberbürgermeister und späteren Bundeskanzler Konrad Adenauer eröffnet. Während des Kriegs wurde der Autobahnbau auch in der Region forciert.

 Gertrud Bauer, 81 Jahre aus Bitburg, hat dieses Foto der Dampflok beigesteuert, die die Baustelle mit Nachschub versorgte.

Gertrud Bauer, 81 Jahre aus Bitburg, hat dieses Foto der Dampflok beigesteuert, die die Baustelle mit Nachschub versorgte.

Foto: Privat

Als die Nationalsozialisten an der Macht waren, wurde der Autobahnbau beschleunigt - vor allem, um über Aufmarschstraßen für den Krieg zu verfügen. Das geschah auch in der Region - die A1, die von Trier über Wittlich in den Norden führt, wurde noch während des Kriegs gebaut.

Mit den für die damalige Zeit hoch technisierten Bautrupps kam die Moderne in manche, bis dato entlegene Dörfer in der Region. Manch einer hat zum ersten Mal in seinem Leben einen Dampfbagger gesehen. Kinder suchten die Nähe der Baustellen, weil es spannend war, die Arbeiten zu beobachten.

Hunderte, Tausende Arbeiter waren vor Ort. Feldbahnen sorgten für den Nachschub an Kiesel, Zement, Baumaterialien. Diese außergewöhnliche Baumaßnahme hatte aber auch ihre schreckliche Seite. Nicht nur normale Arbeiter waren beschäftigt. Es wurden auch Strafgefangene, politisch Verfolgte und jüdische Zwangsarbeiter eingesetzt - und diese waren sogar in der Mehrheit.

Wie René Richtscheid vom Emil-Frank-Institut in Wittlich erläutert, waren im Mai 1940 reichsweit 19.000 reguläre Arbeitskräfte eingesetzt und 28.000 Fremdarbeiter, Strafgefangene und Kriegsgefangene. Für diese Arbeiter gab es spezielle, scharf bewachte Lager. War ein Teilabschnitt gebaut, ging es weiter zur nächsten Baustelle.

Wie Zeitzeugen schildern, haben die Machthaber die Arbeitergruppen immer wieder in unterschiedlichen Zusammensetzungen eingesetzt. Offenbar ging es darum, insbesondere den Einsatz von Zwangsarbeitern auf diese Weise zu verschleiern. Deshalb ist es sehr schwierig, die Lager von normalen Arbeitern von denen der Zwangsarbeiter zu unterscheiden. Das macht es dem Historiker nicht leicht. Ende Januar wurde - bundesweit einmalig - ein Mahnmal für diese Arbeiter in der Wittlicher Autobahnkirche eingeweiht. Ein Meilenstein einer bereits seit Jahrzehnten andauernden Aufarbeitung der Geschichte in der Region. Dazu zählen auch Publikationen wie das Buch von Dieter Burgard aus dem Jahr 1994 "Alles im Laufschritt ...".

Dort ist ein Aktenvermerk der Reichsautobahnen zitiert, den Einsatz von jüdischen Arbeitskräften betreffend: "Umstehende jüdische Arbeitskräfte wurden am 4.9.1941 der Firma Krutwig zugewiesen und im Lager Greimerath untergebracht".

Der Trierische Volksfreund hatte in diesem Zusammenhang Zeitzeugen aufgerufen, sich zu melden und ihre Erinnerungen mitzuteilen. Dem war ein Schreiben von Henri Juda vorausgegangen, der Sohn von Karl Juda, der als luxemburgischer Jude als Zwangsarbeiter an der Autobahn im Einsatz war (der TV berichtete).

In einem Brief aus dieser Zeit, den Juda dem Volksfreund zur Verfügung stellte, wurde ebenfalls der Ort Greimerath genannt. Historiker belegen, dass es in der Nähe in Flußbach ein Lager gab. Henri Juda hat inzwischen Kontakt mit den Greimerathern aufgenommen. Ein Treffen ist vereinbart "Ich will jetzt rauskriegen, was damals passiert ist," sagt Greimeraths Bürgermeister Werner Fries.Zeitzeugen des Autobahnbaus der Nazis haben sich beim Trierischen Volksfreund gemeldet:

Josef Schmitt, 80 Jahre, Trier: "Ich stamme aus Lüxem, unsere Familie hatte Landwirtschaft und Grundstücke, die an der heutigen Autobahn liegen. Die armen Luxemburger mussten in der Hitze schaffen und die Loren schieben. Sie wurden von den Aufsehern ziemlich rau behandelt. Oberhalb von Flußbach gab es Baracken. Wir haben damals Erntehelferinnen aus dem Flußbach-Lager zugeteilt bekommen. Darunter eine politisch verfolgte Frau aus Essen. Die war sehr gebildet. Die Arbeiten hat eine Tiefbaufirma namens Krutwig ausgeführt. Wir waren als Kinder von den riesigen Maschinen sehr beeindruckt."

Helena Montada-Pelzer, 88 Jahre, Trier: "Ein Bekannter von mir in der damaligen Zeit war der Personalchef einer großen Firma in Luxemburg. Er war in einem katholischen Verein und wurde deshalb inhaftiert. Luxemburger Gefangene haben in Wittlicher Betrieben und Kreditinstituten gearbeitet. Sie wurden je nach Berufsausbildung an Betriebe verliehen. Manche haben bei Familien möbliert gewohnt. Ich habe damals in der Sparkasse gearbeitet. Wir hatten einen Mitarbeiter, der zwei Jahre in Hinzert war. Es waren viele Lehrer aus anderen Gebieten Deutschlands dabei."

Bernhard Elenz, (88), Mückeln: "Ich war in Greimerath beim Aufbau von Baracken dabei, als die ersten Zaunpfosten eingeschlagen wurden. Die Firma Ernst Kabza aus Neuss hat die Zäune geliefert. Das Baubüro war in Wittlich. Ich war vorher beim Hotel Well als Hausdiener beschäftigt und habe noch mein Arbeitsbuch. Ich war von 1940 bis 1. Juni 1941 in Greimerath im Einsatz. Da war ich 15 Jahre alt. Die Baracken standen auf Pfählen. Es gab ein weiteres Lager in Richtung Wilwerscheid. Dort haben wir übernachtet. Wir haben damals sogenannte reichsgenormte Baracken vom Reichsarbeitsdienst verwendet. Die waren wiederverwendbar. Es gab noch weitere Lager in Wittlich, Hetzerath, Laufeld, Niederöfflingen oder Brockscheid."

Josef Schuh, 81, Greimerath: "In Greimerath war man der Meinung, dass das Lager auf Flußbacher Gemarkung lag. Aber ein großes Lager habe ich nicht gesehen. Man hörte davon, dass im Lager Flußbach jemand misshandelt wurde, da waren politische Gefangene und Kriminelle, sagte man uns. Es gab noch ein weiteres Lager in Richtung Hasborn. Die Lager waren aber unterschiedlich. Im Hasborner Lager gab es ein Kino. Da habe ich zum Beispiel zum ersten Mal in meinem Leben einen Film gesehen. Das war die Wochenschau. In Greimerath selbst, an der Dörrwies, gab es eine Art Kantine. Da waren auch Bauingenieure untergebracht, die da übernachtet haben. In Greimerath habe ich den ersten Bagger meines Lebens gesehen. Es gab auch Einquartierungen."

Meinung von Hans-Peter Linz

Stetig fortlaufender Prozess

Die Zeit des Nationalsozialismus wurde von manchen jahrzehntelang totgeschwiegen. Oftmals waren die schrecklichen Ereignisse noch zu nah, um aufbereitet werden zu können. Das hat sich im positiven Sinne geändert. Heute geht es in erster Linie nicht mehr darum, Schuldige für die Verbrechen zu suchen, sondern darum, die Erinnerung an diese Verbrechen aufrecht zu erhalten. Künftige Generationen müssen wissen, zu welch schrecklichen Taten Menschen in der Lage sind, wenn erst einmal die Bedingungen dafür geschaffen worden sind. Das kann nur funktionieren, wenn die Erinnerung daran wach gehalten wird. Nur so kann ein Aufkeimen faschistischer Tendenzen verhindert werden. Das ist enorm wichtig und wahrscheinlich die größte Aufgabe, der sich deutsche Historiker in Gegenwart und Zukunft stellen müssen. Dafür sind sie auf möglichst viele Informationen angewiesen - nicht nur aus den Archiven, sondern auch von Zeitzeugen. Viele Menschen haben sich gemeldet, um von Ereignissen dieser Zeit zu berichten. Der Vorstand eines Dorfs setzt sich aktiv mit der Geschichte auseinander. Diesen mutigen Menschen gebührt Respekt. Geschichtsaufbereitung ist keine Akte, die man irgendwann schließt - sie ist ein stetig fortlaufender Prozess.

hp.linz@volksfreund.de

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