Dunkle Wolken über der Atomkraft

Trier/Cattenom · Nach einer Panne läuft derzeit ohnehin nur einer von vier Atom-Reaktoren. Doch würden sich viele Rheinland-Pfälzer wünschen, dass das Kraftwerk im nahen Cattenom ganz vom Netz geht. Zumal nun auch in einem EU-Bericht von zahlreichen Sicherheitsmängeln die Rede ist.

 Das Kernkraftwerk Cattenom.

Das Kernkraftwerk Cattenom.

Foto: dpa

Trier/Cattenom. Cattenom abschalten. Sofort. Das ist es, was Minister, Landräte, Aktivisten und besorgte Bürger schon seit langem fordern. Dass dieser Wunsch seiner Erfüllung im Moment sehr nah ist, hat allerdings ganz andere Gründe: Zwei der Reaktoren sind nach Auskunft der französischen Atomzentrale abgeschaltet, weil die Brennstäbe ausgetauscht werden. Planmäßig, wie eine Kraftwerk-Sprecherin betont. Und Einheit Nummer 1 ist seit Sonntag vom Netz. Denn sie musste wegen Problemen mit der Elektronik manuell heruntergefahren werden. Eine Panne. Eine von vielen, die es in den vergangenen Monaten gegeben hat. Und so kommt es, dass derzeit nur einer von vier Reaktoren läuft.
Spätestens seit gestern die noch unveröffentlichten Ergebnisse eines europaweiten Stresstests für Atomkraftwerke durchsickerten, würden sich viele wünschen, das Kraftwerk wäre ganz kaltgestellt. Denn die Ergebnisse sind für Cattenom alles andere als beruhigend. In einem dem TV vorliegenden Entwurf des Abschlussberichts bescheinigen EU-Experten dem Kraftwerk in sieben von elf untersuchten Kriterien Mängel.
Während deutsche Kraftwerke laut Niklas Schinerl, Energiesprecher von Greenpeace, vor allem bei der Erdbebensicherheit nachbessern müssen, sei die Mängelliste bei den französischen Reaktoren und insbesondere bei Cattenom sehr groß. Größer sogar als in Fessenheim, dessen AKW die französische Regierung 2016 abschalten will. Offenbar ist Cattenom weder auf Erdbeben, noch Überschwemmungen hinreichend vorbereitet. Zudem bemängeln die Experten die Lagerung der Notfallausrüstung ebenso wie die Notfallpläne. Eine Schließung wird allerdings nicht gefordert.
Das lothringische Atomkraftwerk will sich zu alledem erst äußern, wenn die Ergebnisse des Berichts offiziell vorgestellt werden. Der Europaabgeordneten Christa Klaß (CDU) zufolge wird der Abschlussbericht am Donnerstag dem Umwelt- und Industrieausschuss des EU-Parlaments präsentiert.
Unterdessen erneuern rheinland-pfälzische Politiker ihre Forderungen. "Das Atomkraftwerk Cattenom hat erhebliche Mängel, das wissen wir aus dem Stresstest", sagt die grüne Energieministerin Eveline Lemke. Das belegten auch die häufig auftretenden Störungen. "Unser Ziel ist daher die möglichst rasche Abschaltung."
Auch Landrat Schartz fühlt sich in seiner Skepsis bestätigt und fordert erneut, Cattenom vom Netz zu nehmen. Das Internationale Aktionsbündnis gegen Cattenom tut das sowieso und will dafür am Samstag, 13. Oktober, in Metz auch auf die Straße gehen. Auftakt der Demo ist um 14 Uhr auf dem Platz der Republik. Es sei der entscheidende Zeitpunkt, um zu demonstrieren, sagt Stephanie Nabinger, Sprecherin der Atomgegner. Denn im Zuge der "französischen Energiewende" will Frankreich seinen Anteil an Atomstrom von 75 auf 50 Prozent senken. "Cattenom muss auf die Liste", fordert die Aktivistin. Auf jener Liste, die besagt: Abschalten. Und geht es nach den Gegnern: am liebsten sofort.Extra

Auch das belgische Kernkraftwerk Tihange bei Lüttich ist erneut in der Kritik. Dem EU-Bericht zufolge muss es sich besser auf Überschwemmungen und Erdbeben vorbereiten. Zudem fehlt ein System zur kontrollierten Druckentlastung, das das Bersten des Sicherheitsbehälters bei Störfällen verhindern könnte. Allerdings sind dies nicht die einzigen Probleme, mit denen Tihange zu kämpfen hat. Einem Bericht der Aachener Zeitung zufolge sind in den Stahlwänden der belgischen Kernreaktoren Tihange 2 und Doel 3 (bei Antwerpen) Tausende feine Risse festgestellt worden. Wie Medien unter Berufung auf die belgische Atomaufsichtsbehörde FANC und den Betreiber Electrabel berichten, bleiben die beiden Reaktoren deshalb womöglich noch monatelang abgeschaltet. kah

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