Auf der Suche nach neuem Vorbild

Paris · Die französischen Sozialisten feiern den 100. Geburtstag von François Mitterrand in einem desolaten Zustand. Verzweifelt suchen sie nach einem Präsidentschaftskandidaten, denn François Hollande ist aussichtslos.

Paris. Nur der Blick zurück kann die französischen Sozialisten momentan aufmuntern. Deshalb werden sie an diesem Mittwoch zahlreich erscheinen, wenn im Louvre an den Mann erinnert wird, der ihnen in den 1980er Jahren zu Größe verholfen hat: François Mitterrand.
Der einstige Präsident wäre am 26. Oktober 100 Jahre alt geworden. Anlass für seinen politischen Ziehsohn François Hollande, eine als bedeutend angekündigte Rede zu halten. Doch dem Staatschef hört kaum noch einer zu.
"Er hat uns Schande gemacht"



Seit er mit peinlichen Bekenntnissen, die vor zwei Wochen in Buchform erschienen, politischen Selbstmord beging, suchen die Sozialisten nach einem neuen Messias. Einem Mann, dem es - wie einst Mitterrand - gelingt, die zerstrittene Linke zu einen.
Auch Hollande hatte das 2012 geschafft und damit die Wahl gewonnen. Doch viereinhalb Jahre später steht er vor einer Trümmerlandschaft, die er selbst geschaffen hat. Die sozialliberale Wende des Präsidenten ließ den linken Rand des Parti Sozialiste (PS) abbröckeln. Auch den unternehmerfreundlichen Flügel überzeugte der Präsident nicht: Sein Wirtschaftsminister Emmanuel Macron verließ ihn im August. Hollande habe die Dinge nur zur Hälfte gemacht, kritisierte der parteilose Jungstar hinterher.
Dass der umstrittene Präsident im nächsten Jahr noch einmal kandidieren könnte, ist seit der Veröffentlichung des Buches "Un président devrait pas dire ça ..." (Ein Präsident sollte das nicht sagen) mehr als fraglich. Denn der Sozialist hetzte im Gespräch mit zwei Journalisten nicht nur gegen Freund und Feind, sondern verriet auch Staatsgeheimnisse.
"Das Buch hat unglaublichen Schaden angerichtet. Er hat uns Schande gemacht", ätzte Hollandes einstiger Bildungsminister Benoît Hamon, der bereits als Bewerber für die parteiinternen Vorwahlen feststeht, im Journal du Dimanche.
Längst hat bei den Sozialisten die Suche nach einer Alternative zu Hollande begonnen, der sich im Dezember zu einer erneuten Kandidatur äußern will. Bewerber für die Vorwahlen im Januar gibt es bereits mehrere. Für den Fall eines Verzichts des Präsidenten läuft sich auch Regierungschef Manuel warm. Der kantige einstige Innenminister ist allerdings in der Partei kaum konsensfähig.
Ségolène Royal als Alternative



Deshalb haben einige Sozialisten die Präsidentschaftskandidatin von 2007, Ségolène Royal, wieder ins Spiel gebracht. Die Lebensgefährtin von Hollande, die inzwischen Umweltministerin ist, hatte nach ihrer Niederlage versprochen: "Ich werde euch zu anderen Siegen führen." Inzwischen wirkt sie allerdings nur noch wie der kleinste gemeinsame Nenner einer Partei, die am Ende ist. Das weiß die Mutter von Hollandes vier Kindern auch. "Man sucht jemanden, der sich opfert. Die Lage muss wirklich aussichtslos sein, damit diejenigen, die mich bekämpft haben, mich wiederentdecken", sagte sie dem Journal du Dimanche.
"Ségolène ist zweifellos diejenige, die der Partei den ehrenhaftesten Ausweg bieten könnte", soll Parteichef Jean-Christophe Cambadélis über Royal gesagt haben. Er weiß, dass seine Sozialisten bei den Präsidentschaftswahlen mindestens 18 Prozent schaffen müssen, um die darauf folgenden Parlamentswahlen einigermaßen glimpflich zu überstehen und nicht hinter den Front National zurückzufallen.
Hollande hat jedoch laut einer am Dienstag veröffentlichten Umfrage nur noch die Zustimmung von vier Prozent der Franzosen. Diese Zahl dürfte der Präsident im Kopf haben, wenn er am Mittwoch die Gedenkrede auf sein Idol Mitterrand hält. Dem gelang 1988 seine Wiederwahl ohne große Mühen: mit 54 Prozent.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort