Clement und Merz raufen sich zusammen

BERLIN. Die Bundesregierung will mit Reformen "den Teufelskreis" aus Wachstumsschwäche und Arbeitslosigkeit durchbrechen. Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) hat dazu der Opposition eine Zusammenarbeit angeboten.

Wolfgang Clement lächelt gern. Zum Beispiel über die Frage, ob es der Beginn einer wunderbaren Freundschaft sei, wenn er mit dem CDU-Finanzexperten Friedrich Merz im "Stern" über die Notwendigkeit einer engeren Zusammenarbeit plaudere. Sehr normal sei es, sagt Clement, über die Parteigrenzen hinaus vernünftig miteinander zu sprechen. Und das könne er mit dem Sauerländer Merz, mit dem ihn "eine gewisse Seelenverwandtschaft" verbinde. Freundschaft, Verwandtschaft. Dabei kennt Superminister Clement keine Verwandten mehr, wenn er seine ehrgeizigen Ziele verfolgt, die den "Umbau Deutschlands" beschleunigen sollen. Seine Genossen von der SPD haben das bereits zur Kenntnis nehmen müssen, und zwar nicht nur beim Thema Kündigungsschutz. Irgendwelche Bedenken irritieren den neuen Lieblingsminister des Bundeskanzlers aber nicht, sie stacheln ihn eher an. Wie beim Streitgespräch mit Merz, dem er eine engere Form der Zusammenarbeit anbot. Er sehe das als eine "Pflicht" an, sagte Clement, denn durch die Konstellationen im Bundesrat und wegen der anstehenden Themen" brauche man jetzt "ein gutes Wegstück der Gemeinsamkeit". Merz sieht das offenbar auch so: "Wir werden uns zusammenraufen müssen". Klar, dass in Berlin sogleich das Wort von der "Großen Koalition" die Runde machte. Von solch einer konkreten Perspektive wollte Clement zwar nichts wissen, doch konstatierte er am Mittwoch kühl "die Macht des Faktischen". Soll heißen, er will die Realität so wahrnehmen, wie sie ist. Der Vier-Stimmen-Vorsprung im Bundestag lässt wenig Raum für Experimente, und seit der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt im letzten Jahr dominiert im Bundesrat auch noch der bürgerliche Block (35 von 69 Stimmen). Noch mehr zielt die Macht des Faktischen aber auf ein Datum, das der SPD schwer im Magen liegt: Am kommenden Sonntag wird in Hessen und Niedersachsen gewählt. Sollte dann, wie allgemein erwartet wird, auch das SPD-Stammland Niedersachsen an die CDU fallen, ginge im Bundesrat noch weniger ohne die Union. Clements Angebot an die Opposition entspringt also nackter Not. Aber auch einem Stück Überzeugung: "Wir sind am Scheitelpunkt angelangt", sagte er am Mittwoch bei der Vorstellung des Jahreswirtschaftsberichts, und er guckte dabei wie der Arzt, der dem Patienten die Trostlosigkeit der Lage erklärt und zugleich die Chancen einer Radikaloperation preist.

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