Das Monster als Mensch

Mächtiger noch als die Banalität des Bösen ist die Faszination des Bösen. Und nichts ist faszinierender als der übelste Charakter, der die - nicht mehr ganz so - jüngere deutsche Geschichte geprägt hat.

Jahrelang war es für Filmemacher ein Tabu, Hitler als ernst zu nehmenden Charakter, gar als Figur mit menschlichen Zügen, auf die Leinwand zu bringen. Der Diktator war ein klassischer Fall für die Teichoskopie, die Mauerschau, wie jener dramaturgische Kunstgriff genannt wird, mit dem den Zuschauern das Geschehen nur erzählend, nicht aber bildlich und persönlich präsentiert wird. "Der Führer" blieb Randfigur mit Rückenansicht. Bestenfalls, schlimmstenfalls wurde er satirisch verzerrt, womit die Regisseure immer auch ihre Hilflosigkeit eingestanden, wenn es darum ging, dem Unfassbaren Gestalt und Stimme zu verleihen. Jetzt tritt der Diktator erstmals vom Rand in den Mittelpunkt. Wohl nie war die Zeit, ihn so darzustellen, mit seinen privaten Macken und Marotten, günstiger: Die Generation der Verdränger, die sich in den Wiederaufbau flüchtete, hat weitgehend abgedankt. Die nachfolgende Generation der Fragesteller hat ihre Antworten bekommen. Zeit für die Nach-Nachgeborenen also, den schrecklichen Mythos endgültig vom Sockel zu stoßen. Was freilich auch einen Schock bereithält: Das Monster ist ein Mensch. Wer hätte das gedacht? Der unbequeme Umkehrschluss: Jeder Mensch kann zum Monster werden. Keine Frage - dem Gastarbeiter aus Österreich gebührt weiterhin einer der obersten Plätze auf der Liste der schlimmsten Verbrecher aller Zeiten. Und daran lässt auch dieser Film nicht den geringsten Zweifel. r.nolden@volksfreund.de

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