Die Ansagen zum Brexit lassen noch Spielräume

Brüssel/Valletta · Trotz harter Verhandlungen: Kompromisse sind möglich.

Brüssel/Valletta (dpa) Nach der britischen Premierministerin Theresa May hat am Freitag auch EU-Ratspräsident Donald Tusk gesagt, wie er sich die Vorbereitungen zum Brexit vorstellt. Wünsche aus London erfüllt er in seinem Entwurf für Verhandlungsleitlinien nicht, im Gegenteil - Tusk beharrt auf einer Abfolge, die May ausdrücklich nicht will. Sind hier zwei Streithähne auf Krawall gebürstet oder bleibt Spielraum zur Einigung? Ein direkter Vergleich der Positionen:
Freunde bleiben Beide Seiten wissen, dass ein Rosenkrieg bei dieser Scheidung niemandem nützen würde. Die Wirtschaft ist eng verflochten, Hunderttausende Arbeitsplätze wären betroffen, wenn sich Großbritannien und die EU im Streit entzweiten. Auch rund 3,2 Millionen EU-Bürger in Großbritannien und etwa eine Million Briten auf dem Kontinent wüssten dann nicht, wie es weitergeht. Tausende Fragen würden offenbleiben. Das will offenbar keiner. "Großbritannien möchte sich mit der EU auf eine enge und besondere Partnerschaft einigen, die sowohl die Wirtschafts- als auch die Sicherheitszusammenarbeit umfasst", heißt es in Mays Brexit-Antrag vom Mittwoch. Bei Tusk hört sich das sehr ähnlich an.
Immer der Reihe nach Wann und wie die Zukunft besprochen wird, ist allerdings einer der Streitpunkte vor Beginn der auf zwei Jahre angesetzten Verhandlungen. Tusk gibt sich hart. Parallele Verhandlungen zu allen Themen zu beginnen, wie von einigen im Vereinigten Königreich vorgeschlagen, das wird nicht passieren", sagte er zu seinem Entwurf der Verhandlungsleitlinien, den er den 27 bleibenden EU-Ländern vorlegte.
Die gesalzene Rechnung Die EU will eine saubere Trennung der Finanzen beider Seiten. Im Klartext: Sie will noch sehr viel Geld - bis zu 60 Milliarden Euro - für weiter laufende Verpflichtungen aus der Zeit der britischen Mitgliedschaft. Die Aussicht auf eine reibungslose künftige Zusammenarbeit, die London besonders wichtig ist, nutzt die EU als Hebel, um ihre finanziellen Forderungen durchzusetzen.
So heiß wird die Suppe nicht gegessen Trotz scheinbar unversöhnlicher Positionen lassen beide Seiten Spielräume zum Kompromiss. May hat grundsätzlich anerkannt, dass Großbritannien wohl zahlen muss, sie spricht von einer "fairen Vereinbarung zu den Rechten und Pflichten" als scheidendem Mitgliedstaat. In Interviews schloss sie auch nicht aus, dass London eine einmalige Summe zum Abschluss überweist. Und ganz ähnlich schreibt auch Tusk: Eine einzige finanzielle Vereinbarung "sollte alle juristischen und haushalterischen Verpflichtungen" abdecken. Auch der Streit über die Verhandlungsabfolge scheint lösbar. May betont zwar, dass sie eine Paketlösung will - eine "umfassende Einigung" zur Trennung von der EU und zur neuen Partnerschaft mit einem engen Freihandelsabkommen, und beides im vorgegebenen Zeitraum von zwei Jahren. Das lehnt die EU ab. May sagt aber auch, sie wolle "die Bedingungen unserer künftigen Partnerschaft" klären. Das wiederum ist nicht so weit entfernt von Tusks Formulierung, man werde innerhalb der Verhandlungsfrist von zwei Jahren den "Rahmen der künftigen Beziehungen" besprechen.
Wenn die Trennungsmodalitäten rasch geklärt werden, könnte es laut Tusk schon im Herbst 2017 mit den Gesprächen über die Zukunft losgehen. Bis zum Brexit Ende März 2019 scheint dann noch sehr viel Zeit, das von beiden Seiten gewünschte Handelsabkommen vorzubereiten, auch wenn es erst nach dem Austritt unter Dach und Fach gebracht wird.

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