"Die Leute sind gut drauf, wir sind gut drauf"

Es hätte kaum besser anfangen können: Pünktlich zum Start schenkte die FAZ der Konstantin-Ausstellung einen vor Superlativen nur so wimmelnden Artikel. Und als hätte die halbe Republik ihn gelesen, strömten die Besucher in die Museen.

 Auge in Auge mit der Antike: Reges Interesse gleich zu Ausstellungsbeginn. TV-Foto: Friedemann Vetter

Auge in Auge mit der Antike: Reges Interesse gleich zu Ausstellungsbeginn. TV-Foto: Friedemann Vetter

Freitag, 14 Uhr, Dom- und Diözesanmuseum.Im Landesmuseum schaufelt die tausendköpfige Gästeschar der offiziellen Eröffnungsfeier noch edelste Kanapees in sich hinein, da öffnen sich fünf Fußminuten entfernt zum ersten Mal die Pforten der Konstantin-Ausstellung für das gänzlich unprominente Publikum. Die erste Hundertschaft mit der Gnade der frühen Ankunft kommt in den Genuss, vom Bischof höchstpersönlich in die Ausstellung eingeführt zu werden. Hier dominieren gedeckte bis dunkle Farben, die Ausstellungs-Architektur ist zurückhaltend, aber eindrucksvoll. Vor allem vor den mächtigen, figurengeschmückten Sarkophagen bleiben die Menschen stehen, aber auch die imposanten Grabungsmodelle ziehen Blicke auf sich. 700 Besucher sind es allein an diesem Nachmittag, an dem es unablässig nieselt. Die Abstellmöglichkeiten für Schirme werden knapp.Samstag, 10.30 Uhr, Stadtmuseum SimeonstiftEdith Schmelzer und Käthe Piro sind blendender Laune. Die beiden ehrenamtlichen Helferinnen im neuen, schicken Museums-Shop strahlen, als hätten sie schon dutzendweise Devotionalien verkauft. "Die Leute sind gut drauf, wir sind gut drauf, es läuft gut" - so das Stimmungs-Barometer. Im ersten Stock steht gerade eine Sechsjährige im roten Batik-Kleid vor der computeranimierten Wasser-Furt, die die Schlacht an der milvischen Brücke simuliert. Ihr Vater kann sie eben noch davon abhalten, auf die Projektionsfläche zu hüpfen. Nebenan läuft ein Video aus dem Sandalen-Schinken "Konstantin der Große", der ebenfalls zeigt, wie der Kaiser die konkurrierenden Truppen des Maxentius in die Fluten des Tibers treibt. Bunt, ja fast grell geht es im Stadtmuseum zu. Hier würden "lauter Sachen gezeigt, die eigentlich nie passiert sind", hat der wissenschaftliche Direktor Professor Engemann bei der Präsentation gelästert. Aber es steht auch ganz exakt aufgelistet bei jedem einzelnen Exponat, ob es dem Bereich der Legende oder der Wissenschaft zugeordnet ist. "Die Ausstellung hat Niveau", attestiert der Ethnologe Klaus Pander, einer der frühen Besucher an diesem Morgen. Sonntag, 11 Uhr, LandesmuseumAn einem Baum direkt vor dem Haupteingang zu des Kaisers großer Schau erleichtert sich ein Stadtläufer coram publico um jene Flüssigkeit, die er durch Schwitzen offenkundig noch nicht verloren hat. Lebte der große Konstantin noch, man müsste nicht lange raten, welcher Körperteil dem Täter zur Strafe für seine Unbotmäßigkeit entfernt worden wäre.Aber gottlob ist der Kaiser tot, und der Stadtlauf hat ausstellungstechnisch keinen weiteren Schaden angerichtet: Trotz Heiligendamm-mäßiger Verkehrsblockade zieht das Publikum reichlich, aber ohne Gedrängel durch die Säle. "Schau mal, wie beim Juwelier in der 5th Avenue", kommentiert eine Dame mittleren Alters das Design des Raumes, in dem höfischer Schmuck ausgestellt wird. Vor dem großen Konstantin-Kopf sitzt eine Gruppe Pensionäre wie die Hühner auf der Leiter, um den Giganto-Effekt so richtig genießen zu können.Derweil verkauft Georg Stephanus im Museums-Shop das nächste rote "Imperator"-T-Shirt. "Unser Renner", sagt er. Eine Etage höher sitzen 40 Pferdefans im eisigen Vortragsraum und erfahren, was die Römer und ihre Reittiere verband - und warum man selbige bis heute hier zu Lande ungern verspeist.Sonntag, 12.30 Uhr, Tuchfabrik Schweiß treibender Kontrast: Heiß und stickig geht es in der Tufa unterm Dach zu. Die Vollversammlung der Konstantin-Skeptiker ist glänzend besucht, man freut sich auf "Kunst und Provokation". Ein kannibalistisch angehauchter Kaiser-Kopf, dem das Blut aus dem Mund rinnt, gibt die Tonart vor. "Konstantin der Grobe" wird gehörig gezaust, mal holzschnittartig, mal raffiniert, per Agitprop oder mit kleinen Gemeinheiten. Die Performance mit einem Goebbels zitierenden Konstantin thematisiert eine unausgesprochene Frage: Wie niederträchtig darf ein erfolgreicher Staatsmann sein? Oder andersrum: Wäre Hitler erfolgreich gewesen, würde man dann bei einer großen Retrospektive nach 1700 Jahren die Judenvernichtung als betrübliche Nebenwirkung einstufen? Ein bisschen hat die "große" Ausstellung mit ihrer eigenen Konstantin-Kritik dem kleinen, frechen Bruder die Butter vom Brot genommen. Und doch liefert die Tufa, wie der Musiker Michael Kießling anmerkt, "einen intelligenten Kommentar, der die Ausstellung ideal ergänzt".

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