Egal, was mit Hartz IV geschieht: Es geht ums Geld

Wie soll der Gesetzgeber auf das Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts zur Berechnung der Hartz-IV-Sätze reagieren? Mit dieser Frage muss sich eine Expertenkommission im Arbeitsministerium beschäftigen.

Berlin. Vorschläge, wie die Politik mit dem jüngsten Karlsruher Urteil zu Hartz IV umgehen soll, gibt es bereits zuhauf. Alle kreisen darum, ob die Betroffenen künftig mehr Geld bekommen oder nicht. Nachfolgend die wichtigsten Ideen und ihre Chancen auf Verwirklichung:

Niedrigere Regelsätze: Der Vorstoß kommt aus der Union und von Wirtschaftsforschern. Sie stützen sich auf einen Passus im Urteil, wonach die derzeit geltenden Regelleistungen "nicht als evident unzureichend" eingestuft werden. Zugleich machten die Richter eine stärkere Einzelfallprüfung geltend. Soll heißen: Ähnlich wie bei der früheren Sozialhilfe müssten bestimmte Anschaffungen wie Waschmaschinen oder Wintermäntel wieder extra beantragt werden. Im Gegenzug ließen sich die pauschalierten Aufschläge im Regelsatz verringern, so dass die Kosten für den Staat gleich blieben.

Das Problem: Eine Absenkung der Regelsätze ist politisch kaum durchsetzbar. Vor allem die FDP stünde dann einmal mehr als Partei der sozialen Kälte da. Eine grundlegende Umgestaltung des Systems in Richtung Einzelfallgerechtigkeit würde den Gerichten wohl noch mehr Klagen bescheren als jetzt. Die Karlsruher Richter haben eine "Härtefallregelung" angemahnt, die praktisch ab sofort gelten soll. Darunter können zum Beispiel Mehraufwendungen bei chronischen Erkrankungen fallen, die der Staat individuell begleichen muss.

Höhere Regelsätze: Diese Forderung kommt von der Opposition und den Sozialverbänden. Sie zielt vor allem auf die höchstrichterlich festgestellten Defizite bei den Bildungskosten für Kinder in Hartz-IV-Familien. Nach geltendem Recht leiten sich ihre Regelsätze ausschließlich vom Bedarf der Erwachsenen ab.

Das Problem: Eine deutliche Erhöhung der Kinder-Regelsätze - derzeit liegen sie je nach Alter zwischen 215 und 287 Euro - würde zusätzliche Milliarden kosten und den klammen Bundeshaushalt weiter in Schieflage bringen. Das umso mehr, als der Staat dann die Einkünfte im Niedriglohnbereich verstärkt aufstocken müsste. Denn je höher die Hartz-IV-Sätze liegen, desto größer wird auch der Kreis der Anspruchsberechtigten. Vor allem Ungelernte und gering qualifizierte Arbeitssuchende hätten so "weniger Anreiz, eine Beschäftigung im unteren Lohnsektor aufzunehmen", warnt die Bundesagentur für Arbeit.

Sachleistungen: Dafür macht sich Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen stark. Die CDU-Politikerin denkt dabei vor allem an den von Karlsruhe erteilten "Bildungsauftrag". So könnten Kinder in Hartz-IV-Haushalten künftig kostenlosen Nachhilfeunterricht erhalten. Für die Beförderung zur Schule oder ihre Mitgliedschaft in einem Sportverein brauchten sie ebenfalls nichts zu bezahlen. Statt Geld für einen Schulranzen zu geben, kann es auch der Schulranzen selbst sein.

Das Problem: Der von den Verfassungshütern geltend gemachten Teilhabe am kulturellen und gesellschaftlichen Leben wäre damit zweifellos am Besten gedient. Bildung ist allerdings Ländersache. Einheitliche Standards dürften daher schwer durchsetzbar sein. Zudem müsste die Union von ihrer Überzeugung Abstand nehmen, dass Sachleistungen ein Misstrauensvotum gegenüber den Betroffenen darstellen.

Regionalisierung: Ähnlich wie bei den Krankenkassenbeiträgen strebt die CSU auch regionale Differenzierungen bei den Hartz-Sätzen an. Das bedeutet mehr Geld in den Ballungszentren und weniger im ländlichen Raum.

Das Problem: Mit seiner Idee steht CSU-Chef Horst Seehofer allein auf weiter Flur. Zum einen gibt es praktisch schon eine Differenzierung. Denn neben dem Regelsatz bekommen Betroffene auch Mietkosten erstattet. Und die sind in München deutlich höher als in Magdeburg. Zum anderen müssen zum Beispiel Lebensmittel in der Stadt nicht unbedingt mehr kosten als im Dorf, wo es kaum Konkurrenz beim Angebot gibt. Dass sich Seehofer hier durchsetzt, ist nicht zu erwarten.

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