Mal ganz lieb, mal unberechenbar

Wird ein vor zwölf Jahren wegen Totschlags verurteilter Eifeler bald freigelassen, obwohl ein Gutachter den Mann vor vier Jahren als gefährlich und nicht therapierbar eingestuft hat? Selbst der Staatsanwalt ist skeptisch, ob die von ihm beantragte Sicherungsverwahrung durchgeht.

 Rechtsanwalt Edgar Haubrich und sein mit Handschellen gefesselter Mandant beim gestrigen Prozessauftakt. TV-Foto: Rolf Seydewitz

Rechtsanwalt Edgar Haubrich und sein mit Handschellen gefesselter Mandant beim gestrigen Prozessauftakt. TV-Foto: Rolf Seydewitz

Trier. "Wegen guter Führung vorzeitig aus der Haft entlassen." In den Genuss eines solchen Zeugnisses kam Peter K. nie. Der gelernte Metallbauer sitzt, die Untersuchungshaft miteingerechnet, seit 13 Jahren hinter Gittern, weil er im Eifelort Speicher im Suff eine Prostituierte erwürgt hat.

Wenn es nach Oberstaatsanwalt Ingo Hromada geht, wird der heute 34-Jährige auch die nächsten Jahre hinter verschlossenen Türen bleiben, womöglich sogar für immer. Denn von Peter K. geht nach Meinung Hromadas weiterhin eine erhebliche Gefahr für die Allgemeinheit aus. Um die Öffentlichkeit vor solchen Häftlingen zu schützen, kann ein Gericht die sogenannte nachträgliche Sicherungsverwahrung anordnen. Dann bleibt der Täter weiter auf unbestimmte Zeit im Gefängnis, obwohl er seine Strafe schon verbüßt hat.

Das klingt für die Bevölkerung beruhigend. Aber in der Praxis liegen die Hürden für die nach einer regulären Verurteilung angeordnete Sicherungsverwahrung hoch. So hoch, dass der Trierer Oberstaatsanwalt und Vize-Behördenchef Ingo Hromada sogar von einem "stumpfen Schwert" spricht. Denn für die Anordnung einer nachträglichen Sicherungsverwahrung reicht es nicht aus, dass der Häftling "nur" als weiterhin gefährlich eingestuft wird. Vielmehr müssen während der Gefängniszeit neue Umstände aufgetreten sein, die auf ein Rückfallrisiko schließen lassen.

Peter K. ist in den vergangenen Jahren Dutzende Male aufgefallen. Mal warf er einen Tisch gegen das Zellenfenster, mal würgte er in der geschlossenen Psychiatrie einen Mit-Patienten, mal einen Pfleger, und mal sprach er von dem Gefühl, jemanden töten zu müssen. "Es ist mit ihm ein ständiges Auf und Ab", sagt ein Abteilungsleiter der Justizvollzugsanstalt Wittlich, in der Peter K. derzeit sitzt. "An vielen Tagen ist er lieb und umgänglich. Aber an manchen Tagen darf man ihn nicht aus der Zelle lassen."

Peter K. ist laut Gutachten eine gestörte Persönlichkeit und Alkoholiker, war schon mehrfach - auch während seiner Haftzeit - in Entziehungsanstalten und in der Psychiatrie. Nach dem jüngsten Aufenthalt hieß es, eine weitere Behandlung sei aussichtslos. Und ein Sachverständiger kam vor vier Jahren zu dem Schluss, dass die sogenannte Impulskontrollstörung, unter der der Eifeler leide, sich noch verstärkt habe. Weitere Gewalt-Straftaten seien programmiert.

Spannend wird nun sein, ob auch die beiden vom Trierer Landgericht bestellten Gutachter zu einem ähnlichen Ergebnis kommen. In diesem Fall dürfte es für die fünfköpfige Kammer unter ihrer Vorsitzenden Petra Schmitz schwer werden, die von der Staatsanwaltschaft beantragte nachträgliche Sicherungsverwahrung nicht anzuordnen.

Noch spannender ist aber die Frage, ob eine solche Anordnung Bestand hätte. Oberstaatsanwalt Hromada ist skeptisch. "Mir ist kein Fall aus der Praxis bekannt", sagt der erfahrene Jurist. "Entweder der Bundesgerichtshof oder das Verfassungsgericht haben derartige Urteile in der Vergangenheit wieder kassiert." Dann könnte Peter K. in absehbarer Zeit doch noch in die Freiheit entlassen werden. stichwort Mit der Sicherungsverwahrung soll die Allgemeinheit vor gefährlichen Verbrechern geschützt werden, die ihre reguläre Haftstrafe bereits verbüßt haben. Sie kann im eigentlichen Urteil angeordnet (vorbehalten) werden - oder erst nachträglich. Die Sicherungsverwahrung ist unbefristet, muss von einem Gericht aber alle zwei Jahre überprüft werden. Dazu wird ein Gutachten eingeholt.

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