Eichenlaub für den Horror in Afghanistan

Vier Soldaten der Bundeswehr hatten sich im vorigen Oktober im nordafghanischen Kundus nach einem Selbstmordanschlag um Kameraden gekümmert. Gestern erhielten sie dafür einen Tapferkeits-Orden.

Berlin. Vor dem Gitter stehen zwei Leute mit einem Transparent: "Soldaten sind Mörder, keine Helden". Doch die vier Soldaten, die drinnen im Kanzleramt an diesem Montag als Erste von der Kanzlerin persönlich das neu geschaffene "Ehrenkreuz der Bundeswehr für Tapferkeit" an die Brust geheftet bekommen, fühlen sich nicht als Helden. Als Mörder sowieso nicht. "Aufgeregt?" fragt Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan einen der jungen Soldaten, die in der ersten Reihe sitzen. "Bisschen", antwortet der mit etwas rotem Kopf.

Am 20. Oktober 2008 riss die Bombe eines Selbstmordattentäters zwei Bundeswehrangehörige und fünf afghanische Kinder nahe Kundus jäh aus ihrem Leben. Die vier Soldaten versuchten, trotz weiterer Munitionsdetonationen, ihren Kameraden zu helfen und afghanische Zivilisten zu retten. Das war, so der Text der Verleihungsurkunde, ein Beweis für "besonders tapferes Verhalten bei außergewöhnlicher Gefährdung für Leib und Leben".

Für genau so etwas hatte Verteidigungsminister Jung (CDU) die Schaffung dieser sechsten Form des existierenden Ehrenkreuzes vorgeschlagen, und Bundespräsident Hort Köhler hatte eingewilligt. Anders als andere Ehrenkreuze kann der neue Orden nicht durch Dienstjahre "ersessen" werden, sondern erfordert "mutiges Verhalten" unter Lebensgefahr, wie es in den Bedingungen heißt. Der Orden ist also ein Produkt der Auslands- und Kampfeinsätze, in denen die Bundeswehr erst seit zehn Jahren ist. Einziger Verleiher ist der Minister selbst, doch der wollte, dass Merkel die Premiere absolvierte, feierlich mit Musik im Kanzleramt, im Beisein der gesamten Bundeswehrführung und der Presse. Jungs Ziel ist es, dass sich die Gesellschaft stärker zur "Armee im Einsatz" bekennt. Die Gelöbnisse veranstaltet er neuerdings feierlich vor dem Reichstagsgebäude; das nächste am 20. Juli. Und Ende August wird ein großes Ehrenmal für gefallene Soldaten eingeweiht, das ebenfalls seine Idee war. Auch Merkel hat, etwas unbemerkt von der Öffentlichkeit, die Bedeutung des Symbolischen erkannt. So ließ sie es sich kürzlich nicht nehmen, Einbürgerungsurkunden für Ausländer selbst in einem Festakt im Kanzleramt zu überreichen. Diese Aktivitäten zielen, wird im Kanzleramt gesagt, durchaus auf konservative Wähler der Union. Außerdem entsprächen sie der neuen Souveränität, die spätestens seit der Fussball-WM im Umgang mit nationalen Symbolen entstanden sei. Merkel nutzt ihren Auftritt, um für die Auslandseinsätze der Bundeswehr, ganz besonders den in Afghanistan, zu werben. Über das, was die Soldaten dort durchmachten, werde viel zu wenig gesprochen. "Die Soldaten müssen mehr Anerkennung erhalten." Und sie weist indirekt die Kritik zurück, dass der Orden zu nahtlos an das Eiserne Kreuz des Dritten Reiches anknüpfe. "Die Tapferkeit, die wir heute meinen, zielt auf die Wahrung und Verteidigung von Recht und Freiheit und ist ans Grundgesetz gebunden".

Generalleutnant Hans Otto Budde, Inspekteur des Heeres, sagt, seine Leute hätten dringend auf so etwas gewartet. "Die wollen, dass man hier im Land mal anerkennt, dass das alles kein Ausflug ist". Während die anderen Nationen viel mehr "Orden, klingendes Spiel und so" hätten, fühlten sich die Bundeswehrsoldaten bei den internationalen Einsätzen "oft ein bisschen wie die graue Maus", sagt Budde. Das ist seit gestern wieder ein Stück anders geworden. Mit Eichenlaub in Gold.

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