"Flickschusterei"

BERLIN. (ve) Nach den Notmaßnahmen zur Sanierung der Rentenkasse hat der Bundestag gestern ein weiteres Reformpaket in Sachen Altersversorgung auf den parlamentarischen Weg gebracht.

Die Abgeordneten berieten in erster Lesung das so genannte Nachhaltigkeitsgesetz und das Alterseinkünftegesetz. Beide Paragraphenwerke bedeuten langfristig eine stärkere Absenkung des Rentenniveaus als sie die Riester-Reform vorsah, die erst vor knapp zwei Jahren in Kraft trat. Nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Altersvorsorge in Köln wird ein Durchschnittsverdiener, der 1985 geboren wurde, beim Renteneintritt im Jahr 2050 nur noch knapp 52 Prozent seines vormaligen Nettolohns mit den gesetzlichen Altersbezügen abdecken können. Gegenwärtig ersetzt die volle Rente noch etwa 70 Prozent des Arbeitslohns. Die Menschen würden künftig im Schnitt drei oder mehr Jahre älter. Das bedeute längere Rentenauszahlungen bei gleichzeitiger Verringerung der Beitragszahler, begründete Sozialministerin Ulla Schmidt (SPD) das Reformpaket. Während sie für eine parteiübergreifende Zusammenarbeit warb, sprach die Opposition einmal mehr von "rentenpolitischer Flickschusterei". Der FDP-Rentenexperte Heinrich Kolb meinte, ohne die Abschaffung des Demografiefaktors durch Rot-Grün im Jahr 1998 stünde die Rentenkasse "um drei Milliarden Euro besser da". Die Kritik verdeckt freilich, dass die Grundlinien des jüngsten Gesetzespakets von der Union mitgetragen werden. Zentraler Baustein ist ein so genannter Nachhaltigkeitsfaktor, der ähnlich wie der frühere Demografiefaktor den jährlichen Rentenanstieg dämpft. Im Kern berücksichtigt der Nachhaltigkeitsfaktor das quantitative Verhältnis von Beitragszahlern und Rentnern. Ist die Wirtschaftslage gut, steigen die Renten deutlicher, ist die Lage schlecht, steigen sie kaum oder gar nicht. Durch diesen Mechanismus soll der Beitragssatz bis zum Jahr 2020 bei unter 20 Prozent gehalten werden. Zu den weiteren Maßnahmen gehören die schrittweise Beendigung der Frühverrentung mit 60 Jahren bei Altersteilzeit oder Arbeitslosigkeit sowie die Abschaffung der Anerkennung von drei Hochschuljahren. Darüber hinaus sieht das Gesetz eine schrittweise Besteuerung der Renten vor. Auf der einen Seite werden die Rentenbeiträge vom fiskalischen Zugriff befreit. Auf der anderen Seite steigt der Anteil der zu versteuernden Renteneinkünfte. Die Umstellung beginnt 2005 und reicht bis ins Jahr 2040. Renten bis zu 1575 Euro im Monat sind zunächst steuerfrei. Auch hier kann sich die Opposition nicht grundsätzlich verweigern. Denn der Gesetzentwurf geht auf die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts zurück.

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