Mitarbeiter werden unverzichtbar

TRIER. Weiterbildung ist das Schlagwort der Zukunft – um Gefahren von Arbeitslosigkeit zu abzuwenden, sich als Mitarbeiter unverzichtbar zu machen und als Unternehmer auf Spitzenleute zurückgreifen zu können. Davon ist der Trierer Volkswirtsschafts-Professor Heinz-Dieter Hardes fest überzeugt.

Mehr als fünf Millionen Arbeitslose, davon viele über 50, zu wenige Ausbildungsstellen und Arbeitgeber, die flexiblere Beschäftigte wollen. Läuft da etwas falsch auf dem Arbeitsmarkt, oder ist das eine Anpassung an die Globalisierung?Hardes: In vielen Betrieben haben sich so genannte Kernbelegschaften herausgebildet, die ein relativ geringes Risiko haben, arbeitslos zu werden, obwohl es insgesamt einen Beschäftigungsabbau gibt. Diese Gruppen sind stabil und haben innerbetrieblich Zugang zu Aufstieg und Training. Hinzugekommen sind flexible Formen der Beschäftigung wie Zeitarbeit und befristete Beschäftigung. An den Rändern gibt es also einen Ausbau der Arbeitsformen. Dies hängt mit der Globalisierung und den größeren Schwankungen bei Produktion und Aufträgen zusammen. Wie kann sich denn ein Mitarbeiter darauf einstellen?Hardes: In erster Linie durch Weiterbildung. Dabei ist die Bereitschaft dazu sehr stark abhängig von der schulischen Ausbildung. Arbeitnehmer mit Hochschulabschluss haben ein höheres Interesse daran als die mit geringerem Schulabschluss. Dadurch werden die im Bildungssystem schon angelegten Differenzen durch den unterschiedlichen Hang zu Weiterbildung im Berufsleben verstärkt. Fehlende Qualifikation und Arbeitslosigkeit sind nach wie vor sehr stark miteinander verknüpft. Wer darauf nicht reagiert, wird auch künftig Verlierer dieses Systems sein. Denn in kaum einem anderen Land ist die Arbeitslosigkeit so konzentriert auf gering Qualifizierte wie in Deutschland. Also werden die Pisa-Probleme durch Ungleichheit bei Ausbildung und Qualifikation, fehlende Weiterbildung und eine ungünstige Arbeitsmarktsituation verstärkt. Das ist doch ein Problem, an dem man ansetzen kann...Hardes: ...was man aber nicht gemacht hat. Beschäftigungsformen wie 400-Euro-Jobs, Mini-Jobs und Ich-AGs sind in den letzten zwei Jahren expandiert. Dies hat dazu geführt, dass sozialversicherungspflichtige Jobs verdrängt worden sind. Wenn man diese Jobs an Weiterbildungsangebote der Arbeitgeber geknüpft hätte, wäre die Entwicklung anders gelaufen. Weil bei den Hartz-Reformen Übergänge von Arbeitslosigkeit zu Beschäftigung kaum möglich sind, sind Kleinjobs eine Subventionierung von Arbeit an der falschen Stelle. Und wie können Unternehmer die Bereitschaft zu Weiterbildung wecken?Hardes: Die Bereitschaft, Weiterbildung zu fördern, ist nach Branchen unterschiedlich. Wenn man die wenigen Statistiken heranzieht, dann zeigt sich, dass in Deutschland zwar die Berufsausbildung in hohem Maße von den Arbeitgebern getragen wird, aber im Weiterbildungsbereich das Engagement gering ist. Zwar gibt es bereits Ansätze in der Chemie, wo versucht wird, solche Dinge zu fördern. Allerdings sollten auch Anreize geschaffen werden, dass die Unternehmen sich hier stärker engagieren. Denn die Berufsausbildung wird in Zukunft weniger Kosten verursachen, weil weniger junge Leute da sind. Insofern stehen Ressourcen für die Weiterbildung zur Verfügung. Dann wird jeder einzelne Mitarbeiter für den Arbeitgeber also immer wertvoller werden?Hardes: Ja. Auch wenn die Beschäftigungsprobleme kurzfristig nicht beseitigt werden können, werden die Unternehmen an einer Bindung von Arbeitskräften an den Betrieb interessiert sein. Dies bedeutet einen wechselseitigen Austausch: Leistungen auf der einen Seite erfahren Honorierung und Anreize auf der anderen Seite. Insofern sind qualifizierte Arbeitnehmer nicht ohne weiteres zu ersetzen. Welche Voraussetzungen müssen denn dafür gegeben sein, dass Mitarbeiter nicht schon mit 60 Jahren in Rente gehen?Hardes: Ein Ergebnis unserer Umfragen ist, dass fast alle Mitarbeiter eine Frühverrentung favorisieren. Andererseits ist ihnen klar, dass sie in Zukunft länger arbeiten müssen. Die Bereitschaft dazu hängt aber entscheidend von Klimafaktoren ab: von Lob und Anerkennung durch den Vorgesetzten, von der Beziehung zu Kollegen, vom Arbeiten im Team, von Wechselmöglichkeiten und einem Gesundheitsmanagement. Zum anderen ist entscheidend, dass Führungskräfte mit eingebunden werden. Sie sollten das Problem des Alterns entdecken, um die Arbeitsorganisation darauf abzustellen. Nicht mehr Geld oder eine Aussicht auf mehr Verantwortung scheint die Bereitschaft, länger zu arbeiten, zu fördern, sondern das Klima. Das ist überraschend. Hardes: Es ist durchaus möglich, durch Aktivierung im und durchs Unternehmen und vernünftige Rahmenbedingungen des Staates die Bereitschaft zu einer längeren Lebensarbeitszeit zu erhöhen. Die Fragen stellte Sabine Schwadorf.

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