Union geht ratlos in den Herbst

Volker Kauder hat es gestern mit Humor versucht: "Wer konservativ ist, kann jetzt kommen", witzelte der Unionsfraktionschef am Ende der zweitägigen Klausurtagung des CDU-Präsidiums in Berlin und der anschließenden Bundesvorstandssitzung.

Berlin. Bisher hatte man eher den umgekehrten Eindruck: Wer konservativ ist, der geht, der kehrt der CDU den Rücken zu. Wird nach den Beratungen also alles besser?

Es ist nicht das erste Mal, dass sich die Unionsgranden hinter verschlossenen Türen Gedanken darüber gemacht haben, wieso das Profil der Partei in den vergangenen Monaten und Jahren so verblasst ist, und was man dagegen tun kann. Ein Ergebnis der Überlegungen war auch diesmal wieder ein eher altbekanntes: Ratlosigkeit, die mit gespielter Harmonie übertüncht wurde - oder halt mit Heiterkeit.

Selbst die Frau, die mit dem Mangel des Konservativen in der Union derzeit am meisten hadert, Erika Steinbach, flötete den Journalisten zu: "Wir haben eine wirklich freundschaftliche Debatte gehabt." An ihrer Entscheidung, nicht mehr für den CDU-Vorstand kandidieren zu wollen wegen der harschen Kritik an ihren Äußerungen zur Rolle Polens bei Beginn des Zweiten Weltkriegs, will sie aber nicht rütteln. Steinbach bekam in der Sitzung die Möglichkeit, sich ausführlich zu äußern. Das mag sie milde gestimmt haben. Die anschließende Debatte sei dann "deeskalierend" geführt worden, hieß es aus Teilnehmerkreisen. Bedauern für ihren Entschluss bekam Steinbach jedoch nicht zu hören.

Ein Hinweis von Volker Kauder während der Gremienberatungen lässt darauf schließen, dass die Unionsführung offenbar doch künftig eine etwas geänderte Haltung zu der Profildebatte einnehmen will: Nicht jene, welche die Partei modernisiert haben, sollen sich erklären, sondern jene, die stets den Verlust an konservativen Werten beklagen. Der Fraktionschef, selbst einer der Werteverfechter in der Union, soll gesagt haben, man müsse mal darüber diskutieren, "was konservativ ist". Zum Beispiel auf dem Parteitag im November. Generalsekretär Hermann Gröhe fühlte sich somit gleich berufen festzuhalten, dass zu keinem Zeitpunkt Teile der Parteiführung der Meinung gewesen seien, es bedürfe einer grundlegenden Kurskorrektur. Die Diskussion über das Konservative sei zudem eine, "die gelegentlich nur in Überschriften stattfindet". Selbstverständlich nehme man sie aber "ernst", so Gröhe.

Diesmal wird die Union vermutlich auch nicht drumherum kommen, es so zu handhaben. Zum einen, weil der "Herbst der Entscheidungen" (Gröhe) ansteht, in dem sich die Partei zum Leidwesen vieler Konservativer neu positionieren muss. Zum Beispiel bei der Wehrpflicht, für deren Aussetzung Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) indirekt Rückendeckung vom Präsidium der CDU erhielt. Oder bei den Änderungen in Sachen Hartz IV. Hinzu kommt, dass laut einer Umfrage das Wählerpotenzial für eine neue rechtskonservative Partei bei 20 Prozent liegen soll. Das habe in den Beratungen allerdings keine Rolle gespielt, wehrten Unionsgranden gestern ab. Man sei jedoch schon "amüsiert" gewesen, dass der SPD-Mann Thilo Sarrazin nun "zum Anführer des konservativen Aufstands mutiert". Wahr ist aber auch: Die Position des rechten Flügelläufers ist in der Union derzeit vakant, und Bewerber stehen nicht gerade Schlange.

Stichwort Der Begriff Konservatismus stammt vom Lateinischen conservare ab. Dahinter verbergen sich Begriffe wie erhalten, bewahren oder auch etwas in seinem Zusammenhang erhalten. Der Konservatismus verlangt, die gegebene Position zu wahren, sofern nicht das Neue als überwiegend besser erkannt worden ist. (tz)

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort