Wahlergebnisse sorgen für Streit zwischen Gysi und Wagenknecht

Berlin · Während Union und SPD am verpatzten Wahlsonntag wenigstens noch ein paar Lichtblicke beschwören konnten, war für die Linkspartei alles zappenduster. In Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg erneut den Einzug in die Parlamente verfehlt, in Sachsen-Anhalt furchtbar abgestürzt und weit hinter der AfD gelandet.

Berlin. Der ernüchternde Befund stellt nicht nur die Westausdehnung der Linken in Frage, sondern - und das ist noch bitterer - ihren Status als Volkspartei im Osten. Nach dem flügelübergreifenden Entsetzen droht nun ein handfester Richtungsstreit.
Öffentlich gemacht wurde er durch ein Interview des einstigen Fraktionschefs Gregor Gysi, in dem er seiner Nachfolgerin und Intimfeindin Sahra Wagenknecht eine Mitschuld an dem Wahldesaster anlastete. Anstatt beim Thema Flüchtlinge an einem Strang zu ziehen, hätten Wagenknecht und die Parteiführung "unterschiedliche Positionen" bezogen. "Dann wird es eben schwierig", zürnte Gysi.Richtungsstreit in der Partei


In der Fraktionssitzung am Dienstag waren die beiden Lager um Parteichefin Katja Kipping auf der einen und Wagenknecht auf der anderen Seite über die Flüchtlingspolitik aneinander geraten. Im krassen Gegensatz zum Parteiprogramm, das "offene Grenzen für alle Menschen" fordert, hatte Wagenknecht ebenfalls per Interview von "Kapazitätsgrenzen und Grenzen der Aufnahmebereitschaft der Bevölkerung" gesprochen. Es könnten "nicht alle Flüchtlinge nach Deutschland kommen", hatte sie gesagt.
Eigentlich sind das Binsenweisheiten. Aber eben nicht für linke Gemüter. Und schon gar nicht, wenn sie aus den eigenen Reihen vorgetragen werden. Wagenknecht ist nun zumindest gegenüber Journalisten vorsichtiger geworden. Bei der gestrigen, turnusmäßigen Frühstücksrunde mit der Linksfraktionschefin wurden die anwesenden Medienvertreter entgegen allen Gepflogenheiten aufgefordert, wörtliche Zitate Wagenknechts aus dem Gespräch mit der Pressestelle abzustimmen.
Dabei scheinen potenzielle Linkswähler tatsächlich kaum etwas mit der offiziellen Flüchtlingspolitik ihrer Partei am Hut zu haben. Internen Erhebungen zufolge gab es in Sachsen-Anhalt nur bei den AfD-Wählern noch größere Vorbehalte gegenüber einem flüchtlingsfreundlichen Kurs. Rund 29 000 Stimmberechtigte, die vordem links votiert hatten, wanderten am letzten Wahlsonntag zu den Rechtspopulisten ab. Woraus sich eine weitere Streitfrage ergibt: Wie umgehen mit der AfD? Für Kipping ist sie "zumindest in Teilen faschistisch orientiert". Wagenknecht hält eine solche Bewertung für "absurd".
Das Lager der Reformer ist über diesen Zustand alles andere als glücklich. Davon zeugt Gysis provokanter Vorstoß, auch über ein Regierungsbündnis mit der CDU nachzudenken. Beide Parteien müssten sich Gedanken machen, diesen Weg "eines Tages" gehen zu müssen. Denn die Erfolge rechtspopulistischer Parteien in Europa und Deutschland erforderten, "dass alle springen, von der Union bis zur Linken", argumentierte Gysi. vet

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