Wenn’s mal wieder länger dauert ...

Prüm/Berlin/Essen · Bund und Länder konnten ihre Schulden im vergangenen Jahr senken — bei den Kommunen war es umgekehrt. Bauwirtschaft und Inkasso-Firmen werfen Städten und Gemeinden vor, sie zahlten nicht immer pünktlich. Die Kommunen weisen das zurück und sagen, warum.

Prüm/Berlin/Essen. Die Städte und Gemeinden in Deutschland freuen sich über steigende Steuereinnahmen und Bundeshilfen — aber sie ächzen über einen steigenden Schuldenberg. Dieser Berg wuchs bei den Gemeinden 2015 nach Angaben des Statistischen Bundesamts um 4,7 Milliarden Euro auf den Rekordwert von 144,2 Milliarden Euro. Die Inkasso-Unternehmen sehen in den Schulden einen Grund dafür, dass nicht alle Städte und Gemeinden pünktlich zahlen.
Die Zahlungsmoral in Deutschland hat sich verbessert — aber nicht die der Kommunen, ergab eine Umfrage des Bundesverbands Deutscher Inkasso-Unternehmen (BDIU) vom Juni unter rund 230 Firmen, der Hälfte der Mitglieder.
"Die öffentliche Hand ist immer die langsamste beim Zahlen", sagt Philipp Mesenburg, Justiziar des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes (ZDB). "Wenn eine Zahlung nicht kommt - vor allem bei Abschlagszahlungen - trifft das die Betriebe der Bauwirtschaft immer besonders hart."
Er verweist auf eine geringe Eigenkapitalquote und die Pflicht zur Vorfinanzierung von Bauten, betont jedoch: "Die öffentliche Hand zahlt zwar langsam, aber sie zahlt."
Die jüngste ZDB-Umfrage zur Zahlungsmoral von 2012 ergab: 28 Prozent der Unternehmer beklagen, die zweimonatige Frist für die Schlussrechnung werde von der öffentlichen Hand in 50 bis 100 Prozent aller Fälle überschritten, bei privaten Auftraggebern seien es rund 10 Prozent.
Die Inkasso-Unternehmen sehen eine Verschlechterung der Lage. "Viele Gläubigerfirmen, die im Bausektor für die öffentliche Hand tätig sind, beklagen immer mehr, dass die Aufträge nicht rechtzeitig bezahlt werden", sagt BDIU-Präsidentin Kirsten Pedd. "Die Kommunen zahlen zwar ihre Rechnungen, nur lassen sie sich dafür sehr viel Zeit." Das sei bei guter Konjunktur und sprudelnden Steuereinnahmen nicht verständlich. "Wir wissen, dass viele Kommunen finanzielle Probleme haben und auch beim Einziehen von Forderungen aus unserer Sicht besser werden könnten", sagt sie. Wenn es um die Begleichung von Rechnungen gehe, müsse die öffentliche Hand aber Vorbild sein.
Der Städte- und Gemeindebund, in dem auch kleinere Kommunen vertreten sind, weist den Vorwurf zurück. "Noch nie hat in Deutschland eine Stadt oder Gemeinde am Ende eine Rechnung nicht bezahlt", sagt Vize-Hauptgeschäftsführer Uwe Zimmermann. "Es ist nach wie vor so, dass die Städte und Gemeinden die zuverlässigsten Schuldnerinnen sind, auch verglichen mit dem privaten Sektor."
Der Deutsche Städtetag hält den Vorwurf ebenfalls für verfehlt. Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy verweist darauf, dass es rechtliche Vorgaben zur Einhaltung von Zahlungszielen gebe.
Der Städtetag geht von wachsenden Einnahmen für die Kommunen in den nächsten Jahren aus, doch die Ausgaben steigen laut Prognose 2018 und 2019 noch stärker (siehe Exra). "Die Sozialbelastungen sind gestiegen", betont der Eifeler und Chef des Gemeinde- und Städtebunds Rheinland-Pfalz, Aloysius Söhngen (CDU). Das betreffe vor allem die Städte. Wenn sie aus der Schuldenfalle herauskommen wollen, können Kommunen sparen - oder die Einnahmen erhöhen.
Trend ist seit mehreren Jahren eine moderate Anhebung der Sätze der Gewerbesteuer und Grundsteuer. In der Region Trier flossen so 2015 Rekordeinnahmen in der Gewerbesteuer - 161 Millionen Euro. Die Industrie- und Handelskammer Trier hatte das erst in der vergangenen Woche kritisiert. Sie fürchtet, dass zu hohe Steuern die Unternehmen abschrecken und Wirtschaftsstandorte schwächen (der TV berichtete am 19. August).
Söhngen, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Prüm in der Eifel, hat in seiner Kommune wenig Sorgen. Weder braucht er Liquiditätskredite noch hat er Probleme mit der Zahlung von Rechnungen: "Wir zahlen pünktlich", sagt Söhngen. Und meint: "Wir warten eher auf Rechnungen." dpa/flor

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