Wer Krieg sagt, muss auch kämpfen

Berlin · Die Bundesregierung hält das Wort Krieg im Zusammenhang mit den Terroranschlägen des IS für umgangssprachlich angemessen. Aber was ist mit verfassungsrechtlichen oder völkerrechtlichen Konsequenzen?

Berlin. Ältere Menschen, die es noch selbst erlebt haben, werden über die Debatte, ob die aktuelle Auseinandersetzung mit dem islamistischen Terror die Bezeichnung "Krieg" verdiene, nur den Kopf schütteln. Das Geschehen, so schlimm es ist, ist mit dem Massensterben vor über 70 Jahren kaum zu vergleichen. Andererseits sieht es an den Tatorten in Paris nicht viel anders aus. Erst Recht gilt das für Syrien. Präsident François Hollande hat am Samstag sofort davon gesprochen, dass Frankreich sich nun im Krieg befinde, ähnlich wie George Bush nach den Angriffen auf das World-Trade-Center 2001. In manchen Zeitungen war wegen der globalen Aktionen der Terroristen sogar schon von "Weltkrieg" die Rede.
Die deutsche Regierung zögert mit solchen Begriffen. Kanzlerin Angela Merkel spricht von "Kampf" gegen den Terror, ihre Sprecherin sagt, allenfalls umgangssprachlich könne man von Krieg reden, doch tatsächlich entzögen sich die Anschläge jedweder Definition. An den Begriff "Krieg" seien zudem völkerrechtliche Konsequenzen geknüpft. Sie meint den Nato-Bündnisfall. Vizekanzler Sigmar Gabriel erklärt die Frage nach der Begrifflichkeit kurzerhand für "überflüssig".
Hinter der Vorsicht steckt die Angst, durch eine solche Diskussion quasi automatisch in eine militärische Auseinandersetzung geführt zu werden. Und die strikte Abgrenzung zwischen Militär und Polizei im Inland zu verlieren, die einige, darunter, wie schon öfter, Wolfgang Schäuble, bereits in Frage stellen. "Krieg heißt Einsatz der Bundeswehr", warnt der liberale Ex-Innenminister Gerhart Baum. Und zwar auch im Innern. Damit wäre die Verfassung ausgehebelt. "Das wollen die (Terroristen) ja, dass wir unsere Werte verraten." Baum kritisiert auch die etwas bedächtigere Wortwahl von Bundespräsident Joachim Gauck, der von einer "neuen Art von Krieg" gesprochen hatte.
Dabei kommt diese Bezeichnung dem Geschehen wohl am nächsten. In der sicherheitspolitischen Diskussion gibt es schon länger den Begriff der "asymetrischen Kriege". Asymetrisch deshalb, weil auf der einen Seite Staaten stehen, auf der anderen Seite Banden, lockere Gruppen, bis hin zu Einzeltätern, die nicht in offener Feldschlacht kämpfen. Die auch nicht mit den klassischen Methoden kämpfen, sondern zum Beispiel mit Selbstmordattentaten. Und die sich willkürlich "weiche" Ziele suchen - unschuldige Menschenmengen. Moralische Grenzen bei der Auswahl der Opfer und Waffen gibt es nicht, natürlich auch keine Kriegsregeln.
Allerdings kommt der IS dem Staatsbegriff schon viel näher als bisher Al Kaida, er kontrolliert ein großes Gebiet in Syrien und im Irak und hat bis zu 30.000 Mann unter Waffen. Auch wurden die Anschläge von Paris offenbar zentral von dort gesteuert. Bezogen auf den IS trägt die Auseinandersetzung deshalb auch Züge eines normalen Krieges und wird teilweise mit den entsprechenden Mitteln geführt, mit Bodentruppen und Bomben.

Pure Militäraktion reicht nicht


Wir haben es also mit einer Mischung zu tun, die mit bisherigen Begriffen nicht zu erfassen ist. Die aber auch nicht allein mit den bisherigen Methoden bekämpft werden kann. Falsch liegen jedenfalls alle, die meinen, man könnte diesem Terror genauso mit purer Polizeiarbeit beikommen, wie in den 1970er Jahren jenem der RAF. Andererseits wird die pure militärische Aktion auch nicht reichen. Nötig ist der Einsatz aller Sicherheitskräfte, je nach Zweckmäßigkeit, und vor allem ihre gute Verzahnung.

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