Willkommen heißen statt ablehnen und Angst haben

Trier · Die Zahl der Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, steigt. Doch die Menschen, die hier Schutz vor Not, Elend und Vertreibung suchen, sind zumeist hilflos und überfordert. Das Bistum Trier und die Caritas reagieren darauf. Sie haben gestern, am Weltflüchtlingstag, ein Flüchtlingskonzept vorgestellt.

Trier. Der Trierer Bischof ist keiner, der einfach mal so etwas sagt. Selbst dann, wenn seine Aussage völlig unumstritten ist und er damit sogar punkten könnte, scheint er jeden Satz abzuwägen - um ja keine unbedachte Schlagzeile abzuliefern. Schon gar nicht an einem Tag, an dem bekannt wird, dass Ackermanns Name angeblich auf der Vorschlagsliste für die Nachfolge des erzkonservativen Kölner Kardinals Meisner steht. Da wirkt der Trierer Bischof noch zurückhaltender als sonst. So braucht Stephan Ackermann gestern bei der Vorstellung der Flüchtlingshilfe des Bistums und der Caritas ein wenig länger, bis er schließlich das sagt, was die anwesenden Journalisten eigentlich erwartet haben: Deutschland müsse mehr Flüchtlinge aus Syrien als die von den Innenministern vereinbarten 20 000 aufnehmen. 100 000 seien "richtig und gut", auch im Hinblick auf die zu erwartenden Flüchtlinge aus dem Irak, sagt Ackermann schließlich. Der Tag zur Vorstellung des Konzeptes ist bewusst gewählt. Gestern ist Weltflüchtlingstag gewesen. "Wir können uns den Nöten anderer Völker nicht verschließen", so der Bischof, der eine Kultur des Willkommens fordert. Flüchtlinge dürften den Menschen im Land und im Bistum nicht gleichgültig sein und auf Ablehnung stoßen, mahnt der Bischof. Hilfe beim Einleben

Und um diese Kultur des Willkommens zu etablieren, wollen das Bistum und der Diözesan-Caritasverband Flüchtlinge und deren Helfer stärker unterstützen. Das Bistum stellt 250 000 Euro zur Verfügung, um etwa Initiativen in Pfarreien zu fördern, Initiativen, die Flüchtlingen beim Einleben in die neue Umgebung helfen. Wie etwa regelmäßige Fahrdienste zu Sprachkursen. Es gebe schon eine Vielzahl solcher Initiativen, sagt Hans Günther Ullrich. Er leitet im Generalvikariat die Abteilung Ehrenamt. Ullrich verweist auf die bereits vorhandene Hilfsbereitschaft in den Pfarreien. Diese Initiativen sollen nun koordiniert und auf einer eigenen Internetseite vorgestellt werden. Auch Ullrich spricht von einer Willkommenskultur, die geschaffen werden müsse, er meint damit eine lokale Willkommenskultur. Etwa, dass Vertreter des Wohnortes, dem die Flüchtlinge zugewiesen werden, die Menschen empfangen, ihnen den Ort zeigen, sie zum Kaffee einladen. Und dass die Bürger dort den Flüchtlingen helfen, ihre Wohnung herzurichten. Oder dass die Pfarrei vielleicht auch kirchliche Immobilien dafür zur Verfügung stellt. Wie eine solche Willkommenskultur aussehen kann, schildert Birgit Kugel, Direktorin des Diözesancaritasverbandes. So sollen etwa in Simmern im Hunsrück ehrenamtliche Helfer Flüchtlinge, die aus der zentralen Aufnahmeeinrichtung in Trier in die Kreisstadt kommen, diese mit Kaffee und Kuchen und Spielzeug für die Kinder begrüßen. "So bekommt Hilfe ganz früh ein Gesicht", sagt Kugel. Die Caritas will solche Flüchtlingspatenschaften weiter ausbauen und stellt für entsprechende Projekte in den nächsten drei Jahren 391 500 Euro zur Verfügung. Die Paten sollen die Flüchtlinge nicht nur willkommen heißen, sondern ihnen auch bei Behördengängen helfen, die Kinder etwa zur Kita oder Schule begleiten, ihnen bei den Hausaufgaben helfen, bei Arztbesuchen zur Seite stehen und sie beim Deutschlernen unterstützen. Diese ehrenamtlichen Helfer sollen wiederum Unterstützung erhalten von professionellen Ehrenamtskoordinatoren der Caritas. "Viele Menschen sind bereit, sich der Not der Flüchtlinge anzunehmen und sich für sie zu engagieren", sagt Kugel. Die Flüchtlingsarbeit sei wieder ein Thema geworden, das Kirche und Caritas vor neue Herausforderungen stelle. Für den Bischof ist klar, dass sich durch die zunehmenden Flüchtlingsströme, das Zusammenleben in Deutschland verändern wird: "Wir bleiben nicht, was wir sind."Die Flüchtlingshilfe im Bistum Trier kann durch Spenden unterstützt werden:Die Bankverbindung lautet: IBAN: DE93 3706 0193 3000 0480 10oder Kontonummer: 3000048010, Bankleitzahl: 370 601 93Pax Bank TrierVerwendungszweck: Flüchtlingshilfe 120315 Extra

Weltweit 51,2 Millionen Flüchtlinge, Asylsuchende und Binnenvertriebene gab es im Jahr 2013. Das waren 6 Millionen mehr als im Jahr zuvor, wie der Jahresbericht des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR auflistet. Weitere Zahlen: 33,3 Millionen Binnenvertriebene zählt der Bericht, davon 6,5 Millionen in Syrien, 5,36 in Kolumbien und 2,96 in der Demokratischen Republik Kongo. 16,7 Millionen Flüchtlinge sind weltweit registriert. Mehr als die Hälfte von ihnen, 6,1 Millionen, stammen aus Afghanistan, Syrien und Somalia. Mehr als 50 Prozent der Flüchtlinge sind minderjährig, nahezu 50 Prozent weiblich. Von rund 1,1 Millionen Asylanträgen wurden 109 600 in Deutschland gestellt. 414 600 Flüchtlinge kehrten 2013 in ihre Heimat zurück. KNA Extra

Nach der Veröffentlichung der aktuellen UN-Flüchtlingszahlen fordern Hilfsorganisationen die Politik zum Handeln auf. Die internationale Staatengemeinschaft müsse entschlossener gegen Krisen auf der Welt vorgehen, sagte der Vertreter des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR in Deutschland, Hans ten Feld, am Freitag. Die Hilfswerke könnten nur Nothilfe leisten, Lösungen müssten jedoch von der Politik kommen. "Da hat die internationale Politik bislang versagt", so ten Feld. Auch die AWO zeigte sich von den jüngsten Zahlen alarmiert. "Die Bundesrepublik muss sich ihrer Verantwortung gegenüber diesen Menschen stellen", sagte Vorstandsmitglied Brigitte Döcker. Sie appellierte auch an die Europäische Union, Flüchtlingen anders zu begegnen. "Ziel darf nicht die Abschottung sein, sondern, dass sie sicher auf unseren Kontinent gelangen", betont sie. Dafür brauche es faire Asylverfahren. Amnesty International in Deutschland forderte vom UN-Sicherheitsrat mehr Einsatz für den Schutz von Zivilisten in Syrien. Laut Jahresbericht des UNHCR, der am Freitag zum Weltflüchtlingstag vorgestellt wurde, sind erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg mehr als 50 Millionen Menschen auf der Flucht (siehe Zahlenwolke links). KNA

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