Zuflucht Campingplatz

Daun · Sie leben aus Armut auf einem Campingplatz in der Eifel. Da das Rentnerpaar anonym bleiben will, hat die Redaktion die Namen geändert.

Vor sechs Jahren waren Christa Schmidt und ihr Mann zum letzten Mal Eis essen. Heute leisten sie sich das nicht mehr. Obwohl sie leben, wo andere Urlaub machen, ist ihr Alltag nicht idyllisch.

Auf einem Campingplatz im Kreis Daun wohnen die beiden über 60-Jährigen. Krankheit und Geldsorgen haben sie hierher gebracht. Nur hier können die Schmidts bezahlen, was ihnen wichtig ist: eigene vier Wände und ein Stück Garten. "Dass wir raus können und den Liegestuhl vors Haus stellen, das ist für uns Freiheit", sagt Christa Schmidt. Die Pacht für das Grundstück, auf dem das Gartenhäuschen mit Anbau steht, kostet 150 Euro. Das Sozialamt Daun bezahlt sie. Für das Geld gibt es keine Wohnung, die auch nur annähernd mit ihrem Reich - wie die beiden es nennen - vergleichbar wäre. Ihr Grundstück ist 800 Quadratmeter groß, die Wohnung etwa 60. Schmidts heizen mit Gas, und nachts stellen sie die Heizung aus - auch im Winter. Daher ist Christa Schmidt froh, dass der Sommer kommt und es nicht nur fünf Grad sind, wenn sie morgens aufsteht.

Früher hat das Paar in einem wohltemperierten Haus in Duisburg gelebt - mit zwei Töchtern und dem Sohn. Sie machten Urlaub auf Mallorca oder entspannten in Venedig.

Die Abwärtsspirale beginnt, als Fred Schmidt mit 45 Jahren einen Infarkt erleidet. Zuvor hatte er als Maurer gearbeitet. Nun kann er kaum noch gehen. Auf einem Auge sieht er noch fünf Prozent, auf dem anderen nichts. Mit seiner Frau, die zuvor in einer Großküche gearbeitet hat, macht er sich selbstständig: Schmidts verkaufen Markisen. Doch das Geschäft läuft nicht gut. Sie schlagen sich durch, bis die Not so groß wird, dass sie ihr Haus verkaufen müssen. Mit dem Haus verlieren sie nicht nur eine Bleibe, sondern auch die Freunde. Niemand begleitet sie oder hilft ihnen. Sie nehmen niemanden in ihr neues Leben mit. Christa Schmidt arbeitet nicht mehr, weil sie Probleme mit Bandscheibe und Unterleib bekommt. Für das arbeitslose Paar beginnt ein neuer Alltag mit einem eigenen Rhythmus.

"Ob heute Montag, Dienstag oder Samstag ist, das weiß ich nicht. Es ist mir auch egal, denn hier ist jeder Tag gleich", sagt Fred Schmidt. Trotzdem wirkt er nicht verbittert.

Die Dauner Tafel und Discounter bestimmen heute, was auf den Tisch kommt. Gut, dass der Mann mit den weißen Haaren und den braunen Augen ein mehr als genügsamer Typ ist. "Es hilft mir nicht weiter, wenn ich jammere oder negativ denke", sagt er.

Einzig auf sein Käsebrot zum Frühstück will er nicht verzichten.

Kleidung kaufen sie ein bis zwei Mal im Jahr beim Discounter. "Wichtig ist nicht, dass es teuer ist, sondern, dass man saubere Kleidung trägt." Auch im Haus herrscht Ordnung. Wenn nichts kaputt geht, geht bei Schmidts die Rechnung am Monatsende auf. Aber: "Immer dann, wenn man meint, man bekäme ein bisschen Luft, kommt etwas anderes", sagt Fred Schmidt. Zum Beispiel als Ginni, ihre Katze, plötzlich am Monatsende hohes Fieber bekam, erinnert sich Christa Schmidt. "Wir hatten kein Geld, aber man kann so ein Tier nicht einfach leiden lassen", erklärt Christa Schmidt. Glücklicherweise hatte der Tierarzt Verständnis, und Schmidts durften das Geld zu Beginn des darauffolgenden Monats nachreichen.

Trotz des geringen Besitzes verlassen die Sorgen Christa Schmidt nicht. Manchmal schläft sie schlecht, weil sie Angst hat, dass ihr Konto gepfändet wird oder ihnen Gegenstände weggenommen werden.

Ihr Mann sieht das gelassener. Denn die Dinge, die sie haben, brauchen sie.

"Was wir zum Überleben brauchen, darf man uns nicht nehmen", sagt er.

Juliane Renk

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