"Ich bin Seelenhirt und kein Schweinehirt"

Als die Gemündener Badeanstalt — vor dem Jahr 1900 vom Dauner Eifelverein und Sportverein ins Leben gerufen — vor wenigen Jahren renoviert und mit modernen Anlagen versehen wurde, sind auch neue Vorschriften und Verordnungen über die Benutzung dieses öffentlichen Bads verfasst und erlassen worden.

 Recht sittsam und mit strenger Kleiderordnung ging es zu am Gemündener Maar, hier 1910. Foto: Alois Mayer

Recht sittsam und mit strenger Kleiderordnung ging es zu am Gemündener Maar, hier 1910. Foto: Alois Mayer

Daun. Mit Sicherheit hat sich der Dauner Stadtrat bei der Renovierung des Bads am Gemündener Maar nicht die Köpfe über neue Vorschriften bezüglich der Moral der Badegäste oder das Tragen von Badeanzügen zerbrochen. Dies aber war zu früheren Zeiten schon mal anders. Leidenschaftliche Reichstagsdebatten und behördliche Anordnungen beweisen dies, so unter anderem jene Polizeiverordnung vom 18. August 1932. Der Reichskommissar für Preußen, Dr. Bracht, hatte sie erlassen. Eine Ausfertigung davon hing damals auch an der Gemündener Badeanstalt. Sie wurde ebenfalls Dauner Geschäften, "Erzeugern und Inhabern von Verkaufsstellen für Badekleidung" zur Kenntnis gegeben — und zwar, wie es hieß "mit tunlichster Beschleunigung".Heute lächelt man über die Verordnung. Dennoch wäre es oft nicht falsch, wenn sie teilweise, je nachdem, welche Badenden man sieht, wieder empfohlen werden. Hier die Verordnung: 1. Das öffentliche Nacktbaden ist untersagt.2. Frauen dürfen öffentlich nur baden, falls sie einen Badeanzug tragen, der Brust und Leib an der Vorderseite des Oberkörpers vollständig bedeckt, unter den Armen fest anliegt sowie mit angeschnittenen Beinen und einem Zwickel versehen ist. Der Rückenausschnitt des Badeanzuges darf nicht über das untere Ende der Schulterblätter hinausgehen.3. Männer dürfen öffentlich nur baden, falls sie wenigstens eine Badehose tragen, die mit angeschnittenen Beinen und einem Zwickel versehen ist. In sogenannten Familienbädern haben Männer einen Badeanzug zu tragen.4. Die vorstehenden Vorschriften gelten nicht für das Baden in Badeanstalten, in denen Männer und Frauen getrennt baden.Die Polizeiverordnung tritt mit dem 1. November 1932 in Kraft. Doch schon viel früher war das Gemündener Maar mit seiner Badeanstalt Anlass für Diskussionen, die nicht immer sachlich und mit Fingerspitzengefühl ausgefochten wurden. Dies beweist folgender Auszug aus einem Leserbrief an die damalige Dauner Zeitung, geschrieben kurz vor dem ersten Weltkrieg:"....Zum schönsten aber gehört die vorzügliche Badeeinrichtung, die der Kreisflecken Daun, zu Nutz und Frommen der in seinen Mauern weilenden Menschen geschaffen hat. Etwa 20 Minuten vom Ort entfernt, erreicht man das von Laubwald umgebene Gemündener Maar. Hier, im herrlichen Eifelseebad, tummeln sich munter in dem klaren Wasser Weiblein und Männlein. Zellenbäder und Kahnfahrten auf dem 52 Meter tiefen und etwa 500 Meter breiten See sind Annehmlichkeiten, deren sich nur wenige Städter rühmen können. Geübte Schwimmer wetteifern mit den munteren Fischen in der Durchquerung dieses herrlichsten der drei im weiten Tuffgebiet liegenden Maare.Wie nicht anders zu erwarten war, hat die Prüderie auch hier ihre Blüten getrieben. Während der gottesdienstlichen Handlung erlaubte sich der Pastor der Dauner Gemeinde zu seinen Pfarr-Angehörigen zu äußern, er wünsche die gemeinsamen Bäder abgeschafft zu sehen. Er sei Seelenhirt und kein Schweinehirt. Obwohl vielen Menschen der Schweinehirt ebenso nötig erscheint wie ein Seelenhirt, wurde doch mit dem Herrn Seelenhirten Rücksprache genommen und von ihm Aufklärung über den Sinn des Wortes ,Schweinehirt' erbeten. Der Extrakt der Aussprache war, dass Hochwürden erklärte, er habe keinen Menschen beleidigen wollen, er habe die Worte nur hypothetisch gebraucht und wolle dies auch seinen Pfarrkindern bei nächster Gelegenheit mitteilen. "Da den Fremden mittlerweile diese Genugtuung geworden ist, kann der ,Hirt' als erledigt gelten. Es soll aber noch erwähnt werden, dass man verschiedentlich Gelegenheit hatte, zu sehen, wie am schattigen Uferrande zwei katholische Geistliche sich abmühten, die wunderbaren Naturschönheiten des Maares mit dem Fernglase vor den Augen zu betrachten — beileibe nicht die Damen und Herren, die sich im Badekostüm munter in der Flut tummelten."

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