Wo Religionen zusammenfinden

Jünkerath/Gerolstein · Gemeinsame Friedensgebete, Besuche des Kölner Doms und bei Flüchtlingen: Der deutsch-türkische Kulturverein in Jünkerath setzt auf Integration. Und das schon seit Jahren. Wo häufig Angst und Schrecken das Wort haben, sagt der Vorsitzende Salih Sarp: "Wir können ein Vorbild für ganz Europa sein."

 Sie setzen auf Integration: Salih Sarp (rechts) und Imam Yusuf Ayan. TV-Foto: Florian Schlecht

Sie setzen auf Integration: Salih Sarp (rechts) und Imam Yusuf Ayan. TV-Foto: Florian Schlecht

Jünkerath/Gerolstein. Steigt Salih Sarp aus seinem Auto vor der Moschee in Jünkerath aus, begrüßt er die schuftenden Männer dort auf Türkisch. "Aleykümselan", ruft der Mann mit lauter Stimme. Oder, wie die Bayern sagen würden: "Grüß Gott!" Er winkt und lacht. Für wenige Sekunden lösen sich die angespannten Gesichter auf der Baustelle. Viele Helfer packen mit an, um in der Moschee neue Räume einzurichten.
Dort, wo jetzt noch staubiger Bauschutt liegt, sollen in einigen Monaten Menschen beten, spielen und reden. Die Augen von Sarp leuchten. Denn hier kommen viele Nationalitäten und Glaubensrichtungen zusammen. "Eine jüdische Familie stiftet uns die Fliesen, Christen bauen mit an dem Gotteshaus für Muslime", erzählt der 43-Jährige. So stellt es sich Sarp vor: "Unsere Moschee soll ein Vorbild für ganz Europa sein, wie Integration auch gehen kann."
Integration. Bei dem Wort ist Salih Sarp sofort Feuer und Flamme. Der Gerolsteiner ist Vorsitzender des deutsch-türkischen Kulturvereins (siehe Extra). Das Amt bekleidet er seit 2013. Stand der Verein damals vor dem Aus, schreitet er nun mit Ideen voran, die das Zusammenleben der Kulturen fördern. Einen großen Anteil daran trägt Sarp. "Ich kann es nicht leiden, wenn Menschen sich voneinander abgrenzen." Vorurteile abbauen, Berührungspunkte schaffen - das ist sein Ziel in der Vulkaneifel.
Er zückt sein Handy aus der Hosentasche und zeigt Erinnerungsfotos. Von Tagen, an denen Christen und Moslems in der Eifel zusammen feierten. Bei einem Friedensgebet im vergangenen Jahr kamen Mitglieder des Kulturvereins in die evangelische Kirche in Daun - und lasen dort aus dem Koran vor. Vor einigen Wochen fuhren Vertreter der Religionen gemeinsam zum Kölner Dom.
Weitere Projekte sind geplant: Der Besuch der Ostermesse in Gerolstein. Oder ein gemeinsames Fastenbrechen nach dem Ramadan, das in der Moschee und mit über 200 Mahlzeiten im Sommer gefeiert werden soll. Sarp hämmert mit der Faust auf den Tisch, an dem er sitzt. "Warum ist das nicht überall möglich?" Die Frage stellt er sich besonders nach den Terroranschlägen auf das Satiremagazin "Charlie Hebdo" in Paris. Zwölf Menschen wurden dabei im Januar ermordet. "Ein furchtbares Verbrechen", findet Sarp. Als er im Fernsehen bei der Trauerfeier sah, wie die Politiker Schulter an Schulter nebeneinander herliefen, begann er zu rätseln. "Ich verstehe nicht, warum alle so spät handeln und erst jetzt etwas für Integration leisten wollen", sagt der Mann, der in Gerolstein eine Pizzeria, eine Videothek und einen Autohandel führt. Dort arbeiten Türken, Pakistaner, Deutsche, Russen und Italiener. "Wir sind wie eine Familie."
Auch um Flüchtlinge in der Region kümmert sich Sarp. Gelegentlich fährt er in das Asylbewerberheim nach Oberbettingen oder Hillesheim. "Wenn ich den Menschen dort von der Arbeit in der Moschee erzähle, bekommen sie große Augen. Manchmal helfen sie dann mit oder werden abgeholt, um im Gotteshaus beten zu können."

Mit seiner Familie lebt Sarp in dritter Generation in Gerolstein. Der Vater kam 1973 als Gastarbeiter aus der Türkei nach Deutschland, zwei Jahre später zog die Familie nach.
Nun möchte sich Sarp stark machen für Menschen, denen es schlechter geht. Jugendlichen bietet der Kulturverein neue Reize - wie Billard oder Schlittschuhlaufen. "So landet niemand in den falschen Händen", glaubt Sarp. Der Ausbau der Moschee sei ihm wichtig. Sie solle eine Anlaufstation sein.
Von dort aus will Salih Sarp weiter für ein Miteinander der Kulturen kämpfen. "Warum sich Religionen so fremd sind, begreife ich nicht. Die Gebote, menschlich zu sein oder nicht töten zu dürfen, stehen in jeder heiligen Schrift", sagt der Gerolsteiner und fügt hinzu: "Da ist es egal, ob man zu Jesus oder Allah betet."Extra

Den deutsch-türkischen Kulturverein gibt es seit 2005. Er hat 76 Mitglieder, die aus der Region kommen - ob aus Gerolstein, Hillesheim oder Prüm. In der Moschee in Jünkerath, die gerade ausgebaut und um Jugendräume erweitert wird, beten regelmäßig Menschen verschiedener Nationalitäten. flor

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