Gegen das Vergessen

Mitte Dezember vor 65 Jahren begann als letzte deutsche Großoffensive im Zweiten Weltkrieg die Ardennenoffensive. Unter den deutschen Soldaten war der damals 16-jährige Nikolaus Rätz. Jahrzehnte später schrieb er die Erlebnisse aus Krieg und Gefangenschaft nieder und stellte jetzt sein Buch mit dem Titel "Eine andere Sicht der Dinge" vor.

Kerpen-Loogh. Am 16. Dezember 1944 hatte Nikolaus Rätz' Bataillon frühmorgens den Bahnhof Kyllburg erreicht. Drei Wochen waren die etwa 600 Soldaten mit Pferden und Tross von Norwegen aus über Dänemark und quer durch Deutschland unterwegs gewesen. "Als wir ausstiegen, hörten wir den Kanonendonner", erinnert sich Rätz an den deutschen Angriff gegen die Amerikaner, der an diesem Tag begann und ihn und seine Kameraden zu Weihnachten kurz vor die Stadt Bastogne im Südosten Belgiens führte.

"Von dem Weihnachtsfest 1944 ist mir nichts im Gedächtnis haften geblieben", erzählt er. Nur dass die Front ruhig geblieben sei. Dass ihr 16-jähriger Sohn sich in diesen Tagen gar nicht so weit von ihnen entfernt aufhielt, hätten seine in Leudersdorf lebenden Eltern weder gewusst noch geahnt. Die Ereignisse des 16. Dezember 1944 sind ein Teil aus einem Lebensabschnitt von Rätz, über den er mehr als 50 Jahre geschwiegen hat: seine Jugend im Nazistaat und seine Erlebnisse in Krieg und Gefangenschaft. "Wir Kinder wussten zwar, dass unser Vater wegen der linientreuen Einstellung eines Lehrers mit 16 Jahren einberufen worden war", sagt seine Tochter Ursula Gröner, "doch über Details hat er nie gesprochen." Erst Ende der 90er Jahre sei es soweit gewesen, dass ihr Vater sich habe bestärken lassen, ein Buch darüber zu schreiben. "Es ist meine ganz persönliche Sicht auf die Zeit zwischen 1934 und 1947", skizziert er den Charakter seines Buchs. Gewiss sei nach so langer Zeit manche Einzelheit vergessen, räumt er ein. Umso mehr stehe im Mittelpunkt, was nicht vergessen werden dürfe - etwa warum sich in der religiös, konservativ und patriarchalisch geprägten Eifel die unsinnigen Lehren des NS-Staates ausbreiten und auch hier fanatische Verfechter finden konnten. "Die beschriebenen Erlebnisse haben großen Anteil an meiner kritischen Denkweise und an meiner Bereitschaft, schon in jungen Jahren politische Verantwortung zu übernehmen", erklärt Rätz, der 1956 in den Ortsgemeinderat und 1964 zum Ortsbürgermeister gewählt wurde und bis 1994 kommunalpolitisch aktiv blieb.

Der heute 82-Jährige stammt aus Leudersdorf und lebt seit seiner Heirat 1951 in Loogh. Der Landwirtschaftsmeister war Mitglied in Aufsichtsräten und stellvertretender Kreisvorsitzender des Bauernverbands. Rätz hat drei Kinder, neun Enkel und ein Urenkelkind.

Das Buch erscheint im ersten Quartal 2010 und soll am 5. März auf dem Gröner Hof in Loogh vorgestellt werden.

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