Details zu einem Verbrecherleben

Hinzert-Pölert · Die regionalen Wurzeln des NS-Kriegsverbrechers Klaus Barbie, aber auch dessen Nachkriegskarriere haben im Fokus eines Vortrags in Hinzert-Pölert gestanden. Die Enthüllungen des Referenten Peter Hammerschmidt, Doktorand der Uni Mainz, sorgen seit Monaten für Aufarbeitungs-Debatten.

 Georg Mertes (rechts) vom Förderverein Gedenkstätte KZ Hinzert bedankt sich bei Referent Peter Hammerschmidt mit einem Buch. TV-Foto: Ursula Schmieder

Georg Mertes (rechts) vom Förderverein Gedenkstätte KZ Hinzert bedankt sich bei Referent Peter Hammerschmidt mit einem Buch. TV-Foto: Ursula Schmieder

Hinzert-Pölert. Das eine ist das Bild eines aus der Region stammenden Verbrechers, der selbst Jahrzehnte nach seinen Taten keine Reue zeugt. Noch 1973 bekräftigte Klaus Barbie, als "Auserwählter" Hitlers und "eine Art Übermensch" aus tiefster Überzeugung gehandelt zu haben. Doch dieses Bild des einstigen Trierer Gymnasiasten, der sich als "Kind der Eifel" sah, ist nur ein Teil der Biografie des "Schlächter von Lyon" - für ihn eine Auszeichnung. Deutlich machte das der Vortrag "Trier - Lyon - Augsburg - La Paz" von Peter Hammerschmidt in der Gedenkstätte "SS-Sonderlager/KZ Hinzert". Der Doktorand am Lehrstuhl für Neueste Geschichte der Uni Mainz hat als Erster Einsicht erhalten ins Archiv des Bundesnachrichtendienstes (BND).
Die von ihm aufgezeigte Nachkriegskarriere Barbies, der unmenschlich handelte, aber als Mensch für sein Tun verantwortlich war, ist beängstigend. Schon unmittelbar nach dem Krieg begannen sich Geheimdienste Barbies und weiterer Elitekräfte der Nationalsozialisten (NS) zu bedienen (siehe Extra).
Von Mai bis Dezember 1966 stand Barbie sogar auf der Gehaltsliste des BND. Viele Jahre wurde er von verschiedenen Nachrichtendiensten geschützt oder absichtlich "vergessen". Als ihn die "Nazi-Jäger" Beate und Serge Klarsfeld aufspürten, verstärkte sich der öffentliche Druck, so dass Bolivien ihn 1983 doch noch ausgelieferte. 1987 zu lebenslanger Haft verurteilt, starb der in Lyon Inhaftierte 1991 an Krebs.
"Ich bin wirklich erschüttert", kommentierte Werner Schwarz, einer von rund 20 Zuhörern. Die Verschleierungen - auch noch unter Bundeskanzler Konrad Adenauer - seien erschreckend: "Es ist für mich unfassbar, wie so eine Demokratie aufgebaut wurde." Dieter Burgard, Vorsitzender des Gedenkstätten-Fördervereins, verwies auf Parallelen zu der ebenfalls verschleierten Mordserie von Mitgliedern der neofaschistischen NSU. Selbst 60 Jahre nach Kriegsende werde "nach wie vor unterstützt."
Extra

Nachrichtendienste bedienten sich bestehender Strukturen ehemaliger Funktionäre um Barbie. Das Ziel des laut Hammerschmidt "logenartig organisierten Kameradenbundes" war, den Alliierten Personal für Posten in künftigen deutschen Ministerien anzubieten. 1947 heuerte der amerikanische Geheimdienst Barbie an - ungeachtet gegenseitiger Auslieferungszusicherungen von USA, Frankreich und Sowjetunion. Barbie spionierte in den Besatzungszonen Deutschlands und später in Bolivien. Für sein "antikommunistisches Know-how" wurde in Kauf genommen, dass Frankreich ihn 1947 erstmals zum Tode verurteilt hatte. In den zwei Jahren als Gestapo-Chef von Lyon war Barbie mitverantwortlich für den Tod von mehr als 4000 Menschen, insbesondere Widerstandskämpfern, rund 7600 Deportationen wie von 44 Kindern eines jüdischen Waisenhauses in Vernichtungslager sowie mehr als 14 000 Verhaftungen und Folterungen. urs

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