Giftstoffunfall als Übungseinheit

Konz · Unfälle mit Giftstoffen erfordern besondere Maßnahmen. Das haben gestern rund 100 Einsatzkräfte auf einem Bahngelände in Konz demonstriert. Ein Ausbildungszug der Deutschen Bahn, mit dem Giftunfall-Situationen nachgestellt werden können, ermöglichte diese besondere Großübung.

Konz. "Hilfe, Hilfe!", schallt es herüber, als die Freiwillige Feuerwehr der Stadt Konz an dem Bahngleis zwischen der Albanstraße und der Domänenstraße eintrifft. Ein Gabelstapler hat den mit einer ätzenden, umweltschädlichen Flüssigkeit beladenen Tankwagen gerammt. Dicyclohexylamin läuft aus - ein Stoff, mit dem unter anderem Insektizide und Lösungsmittel hergestellt werden. Im Extremfall bilden seine Dämpfe ein explosives Gemisch. Doch damit nicht genug: Neben der Unglücksstelle ist ein Auto mit einem Kleinlaster kollidiert. Am Zug haben sich der Staplerfahrer und zwei weitere Menschen verletzt. Im Auto ist der Fahrer eingeklemmt.
Übung mit realem Ablauf



Freiwillige vom Jugendrotkreuz in Konz mimen die Verletzten. Statt des Giftstoffs schießt Wasser in fingerdicken Strahlen aus dem Tankwagen. Trotzdem läuft die Übung wie in der Realität ab. Die Ersthelfer von der Freiwilligen Feuerwehr der Stadt Konz bereiten den Großeinsatz vor. Zwei Zwei-Mann-Trupps ziehen sich Chemikalienschutzanzüge (CSA) an. Ein Trupp erkundet die Situation an dem Tankwagen und prüft den Zustand der Verletzten. Der zweite Trupp gibt ihnen Rückendeckung - so ist Hilfe da, falls einer der Helfer im CSA sich verletzt.
Nach ein paar Minuten kommt die Verstärkung: Trupps aus Wasserliesch, Nittel und vom Gefahrenstoffzug des Kreises Trier-Saarburg. Der Bundesgrenzschutz, das Notfallmanagement der Deutschen Bahn und das Deutsche Rote Kreuz (DRK) helfen auch. Insgesamt tummeln sich 100 Einsatzkräfte auf dem Bahngelände. Zaungäste an der Albanstraße beobachten, wie sich weitere Helfer CSA überstreifen.
Jetzt sind drei Chemikalientrupps im Einsatz, zwei dienen als Verstärkung. Funksprüche knarzen aus den Handfunkgeräten - es herrscht großes Gewusel. Der Einsatz wirkt auf den ersten Blick chaotisch. Doch jeder kennt seine Rolle. Im Hintergrund zieht die Einsatzleitung um den Konzer Wehrführer Jürgen Lauer die Fäden.
Einsatzkräfte, die an die Giftunfallstelle heranrücken, tragen CSA, die Ersthelfer bei dem eingequetschten Autofahrer Atemschutzgeräte. Im Hintergrund wird während der Bergungsarbeiten eine Dekontaminationsdusche aufgebaut. Zunächst bringen die CSA-Trupps die drei Verletzten in der Nähe des Zuges in Sicherheit. Das ist Schwerstarbeit, denn ein CSA wiegt etwa 20 Kilogramm, und das Atmen durch die Gasmaske fällt schwer. Parallel wird der eingeklemmte Autofahrer befreit. Die Geretteten treffen sich im DRK-Zelt.
Unter dem Leck wird dann eine Plane ausgelegt, um das Grundwasser zu schützen. Flankiert werden die CSA-Trupps von zwei Spritztrupps, die den Waggon abkühlen, um eine Explosion zu verhindern.
Schließlich wird noch das Leck am Zug abgedichtet. Ein CSA-Trupp hämmert Holzkeile in den Riss. Dabei simuliert einer der Anzug-Träger einen Kollaps. Seine Begleiter wissen nicht, dass die Situation gestellt ist, bewahren aber kühlen Kopf. Sie bringen ihren Kameraden zur Dekontaminationsdusche und dann in das Sanitätszelt.
Nach anderthalb Stunden ist die Übung vorbei. "Die schlagen sich sehr gut", sagt Guido Morbe vom Notfallmanagement der Deutschen Bahn (DB). Er hat von Dienstag an 80 deutsche und luxemburgische Feuerwehrleute mit Hilfe des in Deutschland einzigartigen Ausbildungszugs der DB (siehe Extra) geschult. Mit Wehrführer Lauer hat er auch das Szenario für die Abschlussübung ausgearbeitet. "Da ist der Kreativität keine Grenze gesetzt", sagt er. Auch Lauer ist begeistert von der Übung: "Alle waren sehr professionell", sagt er. Das zeige den hohen Leistungsstand der Beteiligten, schließt er seine Manöverkritik ab.Der Ausbildungszug Gefahrgut ist einmalig in Deutschland und gehört zum Ausbildungszentrum Notfallmanagement der Deutschen Bahn AG. Er dient zur Weiterbildung von Berufs- und Freiwilligen Feuerwehren, die praxisbezogen auf eventuelle Einsätze bei Gefahrgutunfällen so gut wie möglich vorbereitet werden sollen. In der Region ist er nach Angaben der Bahn etwa alle fünf Jahre verfügbar. cmk

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