Auf Bärenjagd

Berlin · 20 Filme konkurrieren in diesem Jahr bei der Berlinale um die goldene Statuette. In einem schwachen Jahrgang kamen die besten Beiträge erst zum Schluss. Besonders die leisen Werke überzeugten.

 Der beste Film im Wettbewerb der Berlinale wird an diesem Samstag mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet. Silberne Bären gibt es zum Beispiel für die Schauspieler, die Regie und das beste Drehbuch.Foto: Ali Ghandtschi/ Berlinale

Der beste Film im Wettbewerb der Berlinale wird an diesem Samstag mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet. Silberne Bären gibt es zum Beispiel für die Schauspieler, die Regie und das beste Drehbuch.Foto: Ali Ghandtschi/ Berlinale

Berlin. Um den Goldenen Bären der 64. Internationalen Filmfestspiele zu erlegen, gibt es viele Jagdmethoden. Der TV stellt sie vor. Die Honigtöpfe: Für etwas Süßes nimmt mancher Bär Bienenstiche in Kauf. Im Wissen darum lockten einige Regisseure die Jury mit schmackhaftem Überwältigungskino ganz ohne Pikser. Wes Andersons "Grand Budapest Hotel" ist eine bonbonbunte Ensemblekomödie um die Irrungen und Wirrungen eines Concierges (Ralph Fiennes) und seines Lobby Boys (Tony Revolori). Angesiedelt in der Zwischenkriegszeit im Fantasiestaat Zubrowka folgt der Zuschauer einem wilden Ritt voll Absurdität und Leichtfüßigkeit. Obwohl Andersons bisher bestes Werk, ist es für die Berlinale am Ende wohl zu seicht.Ebenso leichtfüßig kommt Dominik Grafs Historienfilm "Die geliebten Schwestern" daher, der Friedrich Schillers (Florian Stetter) Dreiecksbeziehung zu den Schwestern von Lengefeld (Hannah Herzsprung und Henriette Confurius) locker und lustvoll auf die Leinwand wirft. Grafs Beitrag bleibt jedoch zu unentschlossen, was er letztlich sein will.Noch unausgewogener ist Claudia Llosas "Aloft". Darin erzählt die Peruanerin eine tragische Mutter-Sohn-Beziehung im schneebedeckten Kanada. Was mit packenden Bildern äußerer und innerer Vereisung beginnt, mündet in Esoterik-Kitsch. Die Fallensteller: Im vergangenen Jahrzehnt tappte der Bär gern in die politische Falle. Die stellt auch der deutsche Beitrag "Zwischen Welten". In Feo Aladags differenziertem Blick auf den Bundeswehreinsatz in Afghanistan ist es der Übersetzer Tarik (Mohsin Ahmady), der zwischen die Schusslinien gerät. Die Jury wird dennoch einen Bogen darum machen. Die Charaktere bleiben zu flach und zu viele Fragen offen.Größere Chancen hat "71". Yann Demanges starkes Debüt begleitet den englischen Soldaten Gary (Jack O\'Connell), der getrennt von der Truppe und von der IRA zum Abschuss freigegeben durch Belfast irrt. Eine bedrückend düstere Odyssee zwischen Vertrauen und Misstrauen.Mit "bedrückend" beschriebe man Dietrich Brüggemanns "Kreuzweg" trotz komischer Momente noch zu milde. Der deutsche Beitrag, der bei den internationalen Kritikern lange vorne lag, überträgt die Enge einer katholischen Familie in ein formales Korsett. Der Zuschauer bezeugt das Leiden der jungen Maria (Lea van Acken), die ihr Leben Gott opfert, in 14 nahezu statischen Szenen. Die Großkaliber: Wenn die Bärenjagd weder süß noch kontrovers gelingt, fahren manche Filmemacher die großen Geschütze auf. In "Stratos" bewegt sich der Titelheld (Vangelis Mourikis) durch ein Griechenland, das von Fäkalsprache und Immoralität zersetzt wird. Trotz gelungener Ansätze wirkt der Film in seinen 137 Minuten zu redundant. Ein Vorwurf, den sich der chinesische Beitrag "No Man\'s Land" nicht gefallen lassen muss. Mit einem cleveren Drehbuch weiß diese blutig makabre Variation des Spaghetti-Western um einen Anwalt (Xu Zheng) und einen Falkenschmuggler (Dou Bujie) bis zum Ende zu überraschen. Das trifft auch auf den Epilog zu, der - wohl der Zensur geschuldet - den rebellischen Grundton in den Mutterschoß des kommunistischen Kollektivs zurückführt. Die Anpirscher: Die besten Aussichten auf den Goldenen Bären haben in diesem Jahr die Beiträge, die sich ihrem Thema fast unbemerkt annähern. Yoji Yamadas "The Little House" begleitet das Dienstmädchen Taki (Haru Kuroki) im Tokio der Jahre 1936 bis 1945. Yamada filmt das Familienleben mit der feinsten Bildsprache und der komplexesten Erzählstruktur des Wettbewerbs. Ein Spiel von Enthüllen und Verbergen, Realität und Erinnerung, in der das Unausgesprochene das Offensichtliche überlagert.Am Ende wird auch Yamada keine Chance gegen Richard Linklaters "Boyhood" haben. Der Film begleitet Mason (Ellar Coltrane) von seiner Schulzeit bis zum ersten Tag am College. Das Novum daran ist, dass Link later seinen Film mit einem festen Ensemble realisierte. Zwölf Jahre lang traf er sich mit seinen Schauspielern. In 163 Minuten sieht der Zuschauer den Protagonisten auf der Leinwand beim Altern zu, wird mit Mason und dessen Schwester (Lolerei Linklater) erwachsen, durchlebt mit ihnen die Leiden des Alltags. So simpel und doch so unerhört echt hat sich Kino noch nie angefühlt.volksfreund.de/berlinale

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