Eine Zukunft für die Königsklasse

Trier · Ihre stolze Tradition reicht weit hinter das formelle Gründungsjahr 1956 zurück. Jetzt sucht die Kammermusikalische Vereinigung Trier nach neuen Perspektiven, um im veränderten Kulturleben weiter zu bestehen. Der überraschende Tod des Vorsitzenden Hartmut Köhler vor wenigen Wochen ist dafür ein Anlass.

Trier. Pessimistisch sind die beiden Herren vom Vorstand der Kammermusikalischen Vereinigung Trier durchaus nicht. Eher klingt in der Stimmung von Geschäftsführer Franz-Josef Kleinbauer und Ehrenvorsitzendem Hanspeter Hilgers eine Art skeptischer Kulturrealismus mit. Der überraschende Tod des Vereinsvorsitzenden Hartmut Köhler - so bestürzend er für alle war - ist dabei vor allem Anlass zum Nachdenken: Wie geht es langfristig weiter mit der Kammermusikalischen Vereinigung? Und: Welchen Platz gibt es noch für die Königsgattung Kammermusik in einem veränderten Kulturleben?
Auch wenn finanziell offenbar alles im Lot ist - die Warnsignale mehren sich. "Etwas zu viele freie Plätze" macht Hanspeter Hilgers bei den vergangenen fünf Abonnementkonzerten aus. Und die Zeiten, in denen Studenten zum ermäßigten Preis dicht gedrängt im Treppenhaus des Trierer Kurfürstlichen Palais dabei waren, sind längst passé. Der Alterdurchschnitt der Besucher steigt unaufhörlich - mit tragischen, aber absehbaren Folgen. Geschäftsführer Kleinbauer: "In den vergangenen Jahren haben wir 20 Patrone verloren" - vor allem durch Tod. Neue Förderer zu gewinnen, sei schwierig. In der Tat: Schon in der mittleren Generation gilt Kammermusik weithin als Kultur von vorgestern.
Das sind für die Vereinigung schwierige, aber keineswegs unlösbare Probleme. Auf Kleinbauers Agenda steht zunächst einmal das öffentliche Erscheinungsbild der ehrwürdigen Institution. Die schon bestehende Präsenz im Internet will er verstärken, es soll offensivere Öffentlichkeitsarbeit geben, die Zusammenarbeit mit der Universität will er ausbauen. Dem Geschäftsführer schwebt zudem so etwas vor wie ein "artist in residence" - ein Künstler, der nach seinem Auftritt einige Zeit in Trier bleibt und mit jungen Leuten arbeitet.
Strukturen bleiben bestehen


Ideen gibt es also genug. Die Strukturen stehen allerdings nicht zur Disposition. Dafür gibt es gute Gründe. Die Kammermusikalische Vereinigung finanziert ihre fünf Abokonzerte zu großen Teilen über Förderer - sie heißen traditionell Patrone. Die öffentliche Hand stellt das Kurfürstliche Palais zur Verfügung und hält sich sonst aus allem heraus. Kaum eine andere klassische Kulturinstitution in Trier und Umgebung kommt so komplett ohne Subventionen aus. Eins ist dabei vor allem erstaunlich: Dass im Zeitalter der Etatkürzungen diese Form der Eigenfinanzierung nicht schon längst zum gefragten Modell wurde.
Nächstes Kammerkonzert im Kurfürstlichen Palais am Mittwoch, 23. Januar, 20 Uhr, mit dem Cello Duello. Karten: TV-Service-Center Trier, Bitburg und Wittlich. Mehr im Netz auf www.kammerkonzerte-trier.de
Meinung

Konservative Tugenden
Keine Frage, die Kammermusik befindet sich in einer Krise. Es ist keine Krise der Qualität - die steigt seit Jahren kontinuierlich an. Es ist auch keine Krise der Finanzierung - im Vergleich zu Oper und Sinfonik ist Kammermusik preiswert, und Veranstalter wie die Kammermusikalische Vereinigung Trier finanzieren sich sogar vollständig selber. Es ist eine Krise der öffentlichen Wahrnehmung. Kammermusik steht quer zu einer Event-Mentalität, in der allseitige Verfügbarkeit, als Pluralität getarnte Beliebigkeit und optisch-akustische Knalleffekte obenan stehen. Kammermusik bleibt eine Gattung der konservativen Tugenden. In ihr zählen Aufmerksamkeit, Konzentration, die Kunst, akustische Strukturen wahrzunehmen, Sensibilität für Klangfarben und nicht zuletzt emotionale Empathie. Das sind Fähigkeiten, die auch im Alltagsleben nicht unbedingt nachteilig sind. Dem Zeitgeist hinterher zu laufen und über Wandelkonzerte oder andere Spektakel junges Publikum zu gewinnen, mag in Einzelfällen erfolgreich sein, löst aber das Problem nicht. Langfristig hat es mehr Sinn, offensiv auf die Schätze aufmerksam zu machen, die in den Duos, Trios, Quartetten und Quintetten von der Klassik bis in die Gegenwart schlummern. Vielleicht legt Kammermusik dann auch bei Jüngeren das Image der Gattung von gestern ein für allemal ab. nachrichten.red@volksfreund.de

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