„Extrem-Rapper sind kleine Spießer“

TRIER. Deutsche Extrem-Rapper wie Bushido und Fler stehen aufgrund ihrer offenen Menschenverachtung in der Kritik und auf dem Index der Jugendschützer. Wie geht man damit um – tolerieren, ignorieren, verbieten? Martin Schuemmelfeder vom Jugendzentrum Exzellenzhaus und Roland Röder von der Aktion 3. Welt Saar stellen sich dem TV-Gespräch.

Wer über Bushido-Texte diskutiert und sie kritisiert, der sollte sie kennen. Eine Auseinandersetzung mit dieser Thematik führt automatisch ins Reich der untersten Umgangssprache und der verbalen Hardcore-Pornographie. In Songs wie "Dreckstück" und "Drogen, Sex, Gangbang" sind Frauen grundsätzlich Nutten, Schwule sind Freiwild, Gewalt wird zur Kunstform erhoben und Sexualität zur Gewalt degradiert. Blanker Hass, scheinbar auf alles, prägt das Weltbild.
Das Trierer Exhaus hatte Bushido im März ein- und kurz vor dem Konzert wieder ausgeladen. Man hat zu spät erkannt, wen man sich ins Haus geholt hätte. Die Folgen des Verbots sind eine Konventionalstrafe im vierstelligen Bereich und wütende Fans, die von Zensur und Bevormundung sprechen. "Wir waren zu blauäugig", räumt Martin Schuemmelfeder heute ein. "Aber wir stehen weiterhin zu dieser Absage."

Auf die Bühnebegrenzt

Bushido wich ins saarländische Losheim aus. "Die Frage ist, ob Konzertverbote die Lösung des Problems darstellen oder eher einer Effekthascherei und einer moralisch aufgeladenen political correctness geschuldet sind", sagt Roland Röder, Geschäftsführer der Aktion 3. Welt Saar.
Man würde Röder, dessen Organisation sich für soziale Gerechtigkeit einsetzt, mit Sicherheit nicht unter den Bushido-Befürworters vermuten. "Das bin ich auch nicht", betont er. "Doch die Gewaltfantasien finden auf der Bühne und damit in einem genau begrenzten Raum statt. Es handelt sich um eine Show, vergleichbar mit einem Film."
Martin Schuemmelfeder widerspricht, und er hat ein gutes Argument. "Bushidos Rolle findet eben nicht nur auf Bühnen statt, wie der Fall in Österreich beweist." Im August saß Bushido wegen des Verdachts der schweren Körperverletzung in Linz in Untersuchungshaft. Er soll zusammen mit zwei Leibwächtern einen Mann schwer verletzt haben. Das Opfer erlitt eine Hirnblutung und ein Schädel-Hirn-Trauma. Das Verfahren läuft, im Fall einer Verurteilung drohen dem Rapper bis zu fünf Jahre Gefängnis.
Der Publizist und DJ Günther Jacob hat vergangene Woche eine Diskussionsrunde im Saarbrücker Rathausfestsaal moderiert, die sich um Bushido und seinen Gangsta-Rap drehte. Fast 200 Zuhörer waren dabei: Jugendliche, deren Eltern, Musiker, Kommunalpolitiker. Jacob hat eine eigene Theorie, die in eine völlig andere Richtung geht: "Extrem-Rapper sind kleine Spießer."
Das muss man erst einmal verdauen. Jacob präzisiert: "Bushido und andere zeigen eine Macho-Welt, die bereits in den 70ern abgeschafft wurde. Der Rassismus, die Fremden- und Frauenfeindlichkeit, das alles ist völlig konservativ." Wer Günther Jacob und seine Thesen live erleben will, hat dazu am Dienstag, 8. November, 20 Uhr, im Balkensaal des Exzellenzhauses Trier Gelegenheit.
Doch gerade das Exhaus muss momentan ein ganz anderes Problem lösen. Am kommenden Samstag soll eine Techno-Party mit dem Namen "Cyclone's B-Day" stattfinden. Das hochgiftige Cyangas Zyklon B wurde ab 1941 in nationalsozialistischen Konzentrationslagern zur Ermordung von Menschen verwendet. Ein entsetzter Martin Schuemmelfeder erklärt: "DJ Cyclone, zu Deutsch Wirbelwind, feiert am Samstag seinen Geburtstag. Dieser heißt im Jargon B-Day, abgeleitet vom englischen Birthday."
So kam Cyclone's B-Day zustande. DJ Cyclone veranstaltet übrigens in seiner Heimat Magdeburg Veranstaltungen unter dem Motto "Techno gegen Rechts".

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