Homosexualität bei den „Simpsons“: Gelb, skurril, intellektuell und schwul

Trier · Welchen Platz nehmen Schwule und Lesben in der US-Kult-Fernsehserie „Simpsons“ ein? Dieser Frage ist der Kölner Autor Erwin In het Panhuis nachgegangen. Über sein Buch dazu, „Hinter den schwulen Lachern. Homosexualität bei den Simpsons“, spricht er am Donnerstag an der Uni Trier - und im Interview mit uns.

Die US-Zeichentrickserie Die Simpsons von Matt Groening gehört mit mehr als 530 Folgen zu den erfolgreichsten der Welt. Mit ihren satirischen Beiträgen zu gesellschaftlichen und politischen Themen richtet sich die Serie auch an Erwachsene. Erwin In het Panhuis hält am Donnerstag einen Vortrag zum Thema in der Uni Trier. Mit ihm hat unser Mitarbeiter Marius Bales gesprochen.

Über die Gradwanderung zwischen Slapstick und Satire, homosexuelle Klischees, die Grenzen des Darstellbaren und prominente Gaststars hat TV-Mitarbeiter Marius Bales mit Erwin In het Panhius, Autor des Buchs " Hinter den schwulen Lachern. Homosexualität bei den Simpsons ", gesprochen.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Homosexualität mit den Simpsons zu verbinden?

Erwin In het Panhuis: Die Simpsons haben einen sehr anspruchsvollen Humor, der weit über klischeehafte Darstellungen hinaus geht. Mit den vielen Referenzen zur Populärkultur und den Verweisen auf Politik und Religion sah ich Potenzial für eine Untersuchung.

Politik und Religion sind eher ungewöhnliche Themen für eine Zeichentrickserie. Sind wirklich Kinder der Klientel?

In het Panhuis: Die Serie schafft die Gratwanderung, Kinder und Erwachsene mit unterschiedlichem Humor anzusprechen. Kinder haben Spaß an den vordergründigen Witzen, und Erwachsene kommen bei Satire und Kulturreferenzen auf ihre Kosten.

Wie sind Sie bei der Analyse der 500 Folgen vorgegangen?

In het Panhuis: Viele Witze verstehen lediglich ein Prozent der Zuschauer oder sie dauern nur eine Sekunde. So erschloss sich mir erst vieles durch DVD-Kommentare, Sekundärliteratur und Fan-Homepages. Zudem halfen mir US-Muttersprachler bei der Übersetzung. Denn nicht jeder Witz im amerikanischen Original ist ins Deutsche übertragbar.

Wie stehen die Simpsons denn zu Schwulen und Lesben?

In het Panhuis: Da gibt es oft einen sensiblen und intelligenten Humor, oft in Form von Satire, aber ohne moralinsauren Zeigefinger. Ihre Einstellung, etwa zur Homo-Ehe, wird oft erst bei einem Vergleich mit anderen Szenen deutlich. Schade ist allerdings, dass ein gesellschaftlich-politisches Thema wie Aids fast vollständig ausgeblendet wird.

Sind Sie von dem Ergebnis überrascht?

In het Panhuis: Von der Form des Humors und der grundsätzlichen Offenheit nicht. Von der Deutlichkeit der sexuellen Anspielungen allerdings schon. Da wagen sich die Produzenten gern bis zur Schmerzgrenze vor.

Wie häufig und in welcher Form wird Homosexualität denn angesprochen?

In het Panhuis: In 490 Szenen werden Schwule und Lesben klar thematisiert. Außerdem tauchen mehr als 70 Charaktere auf, die homosexuell sind und komplex dargestellt werden. Früher eher weniger, heute eher mehr. Der Humor ist unterschiedlich, wobei es häufig subtile Andeutungen gibt.

Nennen Sie uns doch ein Beispiel…

In het Panhuis: In einer frühen Folge stellt Marge nur die naiv anmutende Frage: "Wusstest du, dass jeder US-Präsident ein heterosexueller, weißer Mann war?" Dies ist, in einem politisch subversiven Sinn, ein emanzipatorisches Statement für Schwule, Schwarze und Frauen.

Die Simpsons sind also eher eine liberal eingestellte Serie. Wie passt das zu einem erzkonservativen Sender wie "Fox", auf dem die Serie bereits seit über 20 Jahren läuft?

In het Panhuis: Das passt überhaupt nicht! Vor allem, weil sich die linksliberalen Simpsons sogar regelmäßig über Fox lustig machen. Es gibt dafür nur eine nachvollziehbare Erklärung: Im Unterhaltungsbereich wird eine gezielte "Narrenfreiheit" zugelassen, damit der Sender nach außen hin als pluralistisch erscheint. Im politischen Teil gibt es diese Freiheit nicht - und Homosexualität ist für mich ganz eindeutig politisch.

Häufig haben Schauspieler, Musiker oder Politiker Gastrollen. Haben bereits Gaststars Stellung zur Homosexualität genommen?

In het Panhuis: Die Simpsons führen den Rekord als Serie mit den meisten prominenten Gastrollen! Bei den Gaststars Ellen DeGeneres und Harvey Fierstein wird auf ihre Homosexualität Bezug genommen, und John Waters hat sogar die erste von vier schwul-lesbischen Folgen geprägt. Ich finde es schade, dass bei dem Gastauftritt von Elton John und George Takei Homosexualität nicht thematisiert wurde. Vor allem in den USA haben sie alle viel bewegt - weniger durch Stellungnahmen als durch selbstverständliches Auftreten.

Über Ihr Buch wurde in mehr als 20 verschiedenen Ländern - darunter Australien, Brasilien und Indonesien - berichtet. Wie erklären Sie sich den Erfolg?

In het Panhuis: Der Erfolg des Buchs liegt nicht nur daran, dass die Simpsons international sind. Es bietet eine Mischung aus Unterhaltung und Anspruch. Vermutlich ist es auch das Unerwartete, was denn wohl eine Zeichentrickserie mit der Idee einer schwulen Emanzipation zu tun haben mag. maba

Edwin In het Panhuis präsentiert sein Buch am Donnerstag um 18 Uhr an der Universität Trier im Rahmen eines Multimedia-Vortrags im Raum B17. Der Eintritt ist frei.
Extra: Zur Person

Der Kölner Erwin In het Panhuis, 1965 geboren, ist Diplom-Bibliothekar und hat bereits für den Schwulenverband in Deutschland (heute LSVD), das NS-Dokumentationszentrum (Leitung von Bibliothek und Archiv) und das NRW-Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter gearbeitet. Zudem sitzt er im Vorstand des Centrums Schwule Geschichte in Köln. "Hinter den schwulen Lachern. Homosexualität bei den Simpsons" hat 205 Seiten und ist nach "Aufklärung und Aufregung. 50 Jahre Schwule und Lesben in der Bravo" sein zweites Buch, das im Archiv der Jugendkulturen erschienen ist.

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