Kassen leer, Festival weg

Sie galten als rheinland-pfälzisches Renommier-Festival, doch nun sind sie bis auf weiteres abgesagt: Die Stadt Worms kann sich die Nibelungen-Festspiele nicht mehr leisten. Gestern zog der Stadtrat die Notbremse und sagte das Open-Air-Spektakel für die nächsten beiden Jahre ab.

Worms. Das Nibelungen-Schauspiel mit Star-Regisseur Dieter Wedel als Aushängeschild lockte Jahr für Jahr mehr als 20 000 Besucher an - etwa doppelt so viele wie die Trierer Antikenfestspiele. Weit wichtiger aber war die bundesweite Medien-Öffentlichkeit: Der Auftrieb von Stars und Sternchen rund um das Festival bescherte der ansonsten eher farblosen Nibelungenstadt riesige Aufmerksamkeitswerte. Promis aus Fernsehen, Sport und Politik fanden sich zu den Premieren ein.

Doch die Kehrseite war eine jährliche Zwei-Millionen-Euro-Subvention, die die Stadt Worms aus ihrem chronisch defizitären Stadtsäckel zuletzt in den Festival-Betrieb pumpen musste - fast das Zehnfache dessen, was die Stadt Trier für die Antikenfestspiele ausgibt. Große Namen auf der Bühne (von Adorf bis Zapatka) und professionelles Marketing dahinter forderten ihren finanziellen Tribut.

Am Mittwochabend gab es im Wormser Stadtrat nun eine Art Befreiungsschlag. Eigentlich hatten FDP und Grüne nur beantragt, den Zuschuss der Stadt stufenweise herunterzufahren. Doch dann beantragte Oberbürgermeister Michael Kissel (SPD) überraschend, die Festspiele in der bisherigen Form auszusetzen, sich 2010 auf ein kleines Kulturprogramm zu beschränken und 2011 nur im Saal zu spielen. Dass es 2012 dann wie geplant tatsächlich noch einmal zu der Wiederaufnahme als Open Air an historischem Schauplatz kommt, halten Experten für eher unwahrscheinlich.

Dennoch sprach der Oberbürgermeister zunächst von einer "Atempause für eine organisatorische und inhaltliche Neuorientierung". Es sei unbedingt notwendig, den Zuschuss der Stadt zu senken. Das sei nur machbar, wenn sich private Sponsoren oder das Land Rheinland-Pfalz verstärkt an der Finanzierung beteiligten. Zurzeit gehe die Tendenz aber eher dahin, dass Sponsoren ihre Zuschüsse "teilweise drastisch" reduzieren wollten.

Regisseur Wedel habe Verständnis für die ohne Gegenstimme gefällte Entscheidung, erklärte Kissel. Er sei auch bereit, sich weiter zu engagieren.

Meinung

Andere folgen

Es ist aus Trier er Sicht kein Grund zur Häme, dass die ähnlich verarmten Wormser mit ihrem teuren Promi-Festival gescheitert sind. Denn was den Nibelungen passiert ist, steht wohl auch anderen mit viel Euphorie gestarteten Festspielen ins Haus. Das hat damit zu tun, dass solche Festivals - anders als Theater - nicht der kulturellen Grundversorgung der Bevölkerung dienen, sondern im Kern eine - absolut sinnvolle - Maßnahme des Regional-Marketings und der Wirtschaftsförderung sind. Aber dafür sind die öffentlichen Mittel in Zeiten wie diesen knapp. Wenn Wirtschaft, Gastronomie, Tourismusbranche und Umland sich nicht mit barem Geld und massiver Unterstützung engagieren, ist die öffentliche Hand überfordert. Eine Region muss wissen, was ein Festival ihr wert ist. Sonst lässt man es besser sein. Nicht nur in Worms. d.lintz@volksfreund.de

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