KOLUMNE

Wow, Mr. Craig, das macht Ihnen so schnell keiner nach. Gut, wir wissen, dass James Bond ein ziemlich bewegliches Kerlchen ist, und dass er notfalls schon mal von einem fahrenden Auto ins andere oder von einem Hubschrauber auf einen Zug hüpft.

Aber so einen radikalen Sprung wie Sie hat noch keiner ihrer Vorgänger gemacht: Von everybody's Depp zu everybody's Darling in einer einzigen Kino-Nacht. Mensch, was haben wir alle gelästert über den blonden Softie, der zu blöd war, um eine Gangschaltung zu bedienen und sich in einer Schwimmweste über die gute alte Themse kutschieren ließ - als würde er das Erbe von Blacky Fuchsberger bei Edgar Wallace übernehmen und nicht das von Sean Connery bei James Bond. Und jetzt ist auf einmal alles anders. Wirklich komplett anders. Keine Bond-Musik, keine nackten Schemen im Vorspann, keine Miss Moneypenny mit ihren flauen Scherzchen, kein Q mit seinen Technik-Gags, ja selbst beim Martini wissen Sie nicht mehr so genau, wie Sie ihn trinken sollen. Aber offenbar hat all das Ihre Fans mehr gerührt als geschüttelt. Augenzeugen der Premiere berichten von tränennassen Augen vor allem bei der Damenwelt (ein paar Schwule sollen auch vor Wut und Mitleid geheult haben), als ihr schurkischer Gegenspieler Sie bekleidungslos auf einen Stuhl mit ausgehöhlter Sitzfläche setzte, um Sie dann unterhalb der Gürtellinie zu misshandeln. Soll sich jetzt noch einer trauen, Sie ein Weichei zu nennen! Was mit der Queen war? Nein, die hat nicht geweint, da hätte es wohl schon einer ihrer Corgies sein müssen, der da auf dem Folterstuhl hockte. Gefallen soll's ihr aber trotzdem haben. Der Film insgesamt, meine ich. Aber nicht nur die Bond-Anhänger quietschen vor Begeisterung, auch die gestrenge Kritik hat ihre Liebe zu Ihnen entdeckt. Sie lobt die "Psychologisierung des Superhelden", schwärmt von Ihrer "Suche nach Identität" oder beschreibt Sie als "Kreuzung zwischen Steve McQueen und Boris Becker", was im vorliegenden Fall hoffentlich nicht bedeutet, dass Sie versehentlich Kinder zeugen und frühzeitig an Lungenkrebs dahinscheiden. Eh Sie jetzt ausrasten vor Freude über all das Lob: Vorsicht, so was kann sich flott ändern. Die gleichen Feuilletonisten, die heute in höchsten Tönen von Connery schreiben, fanden ihn damals brutal und flach. Dafür lobten sie anfangs Roger Moore für die selbe Ironie, die sie später ätzend fanden. Timothy Dalton, heute als taube Nuss eingestuft, wurde als kompromisslos gefeiert, Pierce Brosnan hingegen zunächst als Gentleman geadelt, am Ende als Langweiler verspottet. So ist das halt: Die ganze Branche ist ein Haifischbecken. Aber wie man mit so was umgeht, wissen Sie ja spätestens seit "Leben und sterben lassen". Dieter Lintz

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