KOLUMNE

Oberster Sheriff zu sein, das Knitter-Gesicht des Gesetzes - das ist nicht leicht, Herr Schily. Immer bekommen Sie das Gemaule der Weicheier ab, der Journalisten, Datenschützer oder Friedens-Bewegten.

Jetzt schon wieder. Nur, weil Sie als Innenminister alle wegsperren wollen, die eventuell mal für schweren Ärger sorgen könnten. Ist doch Ihr Job. Vorbeugehaft - das steht doch ganz in der Tradition der guten, alte Zahnarzt-Schule. Vorbeugung ist alles. Wer sich drei Mal täglich die Zähne putzt, bekommt vielleicht keine Karies. Wer schläft, sündigt nicht. Und wer im Knast sitzt, kann keinen Schokoriegel klauen. Besser noch: Er wird auch keine Molotow-Cocktails basteln. Vorbeugen hilft also - nicht nur vorm Bohrer. Früher, als Sie noch tapfer RAF-Terroristen vor Gericht verteidigten, war Ihr Verhältnis zum Staatsapparat noch nicht so innig. Für die Selbstmorde von Meinhof und Meins sei gar der Staat mitverantwortlich: "Anonymer Mord", zeterten Sie damals. Was - der Staat?! Wir? Ich? Mörder? Der junge Schily, noch ganz grün hinter den Ohren, müsste heute mal bei Ihnen vorbeikommen, wenn das denn ginge. Dem würden Sie zeigen, wo der Hammer hängt. Und die Uzi. Oder die Fußfessel. Der wüsste vor lauter Drehungen nicht mehr, wo links und rechts ist. Dann schnell die Iris des jungen Wilden eingescannt, biometrisch durch den Computer gejagt und kurz zwei Gedanken an die Vorbeugehaft verschwenden: "Wird der mal gefährlich? Vielleicht sollte der besser in ein Einzelzimmer?" - reine Hypothese, versteht sich. Früher war alles anders. "Isolationshaft ist die Legalisierung der Folter", klagten Sie damals. Bei solchen Sätzen fangen heute selbst "amnesty"-Fundis an zu gähnen. Iso-Haft lässt sich in der "Ottokratie" viel besser vermarkten, mit menschlicherem Antlitz. Etwa als "Come-Together für die Ich-AG: der Staats-Workshop". Mit Vollpension, Gedankenfreiheit und voller Kostenkontrolle. Und das Wort "Legalisierung" hören Sie heute höchstens noch, wenn die Ex-Kumpels von den Grünen mal wieder versehentlich die halbe Zimmerpflanze in den Tabak gebröselt haben. Aber die Jungs rufen Sie ja schon lange nicht mehr an. Warum eigentlich?Andreas Feichtner

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