Kreischen statt Worte

Trier · Der Sänger und Songwriter Tim Bendzko hat im vergangenen Jahr die Charts und die Herzen seiner oft weiblichen Fans gestürmt. Auch in Trier begrüßte ihn die Menge in der ausverkauften Europahalle euphorisch.

Trier. "Sind denn auch Mädels im Saal?", fragt Sänger und offensichtlich auch Scherzkeks Tim Bendzko in die Europahalle, die mit rund 2000 Besuchern prall gefüllt ist.
Denn selbst falls der 26-jährige Berliner durch die Scheinwerfer nicht zu viel sehen sollte: Allein anhand der andauernden spitzen Schreie, die durch jede Bewegung, jeden kleinen Tanzschritt des Wuschelkopfs hervorgerufen werden, lässt sich der hohe Anteil an Damen im vorderen Lebensviertel leicht ausmachen.
Da auch viele Besucher (oder Begleiter) aus den hinteren Lebensvierteln durchaus etwas mit den gefälligen, aber eigentlich nie glatt-durchkonfektionierten Popsongs Bendzkos anfangen können, verfolgen sie das Geschehen mit gelassener Sympathie, freuen sich aber vielleicht hier und da erstmals, dass sie die Frequenzen gar nicht mehr so gut hören, auf denen sich die juvenile Euphorie Bahn bricht.
Ein ewig langes halbes Jahr


"Hier hat alles angefangen - damals, mit Philip Poisel", freute sich Bendzko schon beim Reinkommen. Schön, dass er sich noch an "damals" erinnert - das war zwar erst der Sommer 2011, als der Berliner auch in Trier noch den Support für den Songwriter Philipp Poisel machte - aber seitdem ist so viel passiert, dass es dem ehemaligen Studenten der Theologie tatsächlich wie eine Ewigkeit vorkommen muss. So landete er mit "Nur mal kurz die Welt retten" in den Charts, durfte sich den Bambi und die 1Live-Krone ins Regal stellen und toppte seinen Siegeszug auch noch mit dem ersten Platz des Bundesvision Song Contest von Stefan Raab.
Dankbar für Zuspruch


Sollte ihm der plötzliche Ruhm (das Konzert sollte ursprünglich in der Tufa stattfinden) zu Kopf gestiegen sein - man merkt es ihm nicht an.
Auch in Trier zeigt sich Bendzko immer wieder erfreut und herzlich dankbar für den lautstarken Zuspruch. Seine sechsköpfige Begleitband inszeniert die mal poppigen, mal souligen Songs mit ihren poetischen deutschen Texten souverän, aber nicht routiniert, und mit dem Publikum, das zu weiten Teilen so ziemlich jeden Song textsicher mitsingen kann, veranstaltet Bendzko die üblichen Spielchen, lässt etwa Tausende Hände an ausgestreckten Armen im Scheinwerferlicht flattern.
Zum Schluss des ohnehin schon langen, abwechslungreichen Sets lässt sich der junge Star dann nicht lumpen und gibt drei Zugaben - und endet mit der wortreichen Entschuldigung, nicht die richtigen Worte zu finden: "Wenn Worte meine Sprache wären". Aber wer braucht denn die - wo ein Kreischen doch so viel mehr sagt?

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