Kunst auf dem Land lebt vom Idealismus

Trier · "Die Kunst aufs Land bringen" - ein Herzensanliegen für etliche Galeristen in der Region. Geld verdient wird wenig. Umso größer ist das Engagement. Ein Internet-Auftritt gehört auch auf dem Land zum Standard, als Kunst-Marktplatz ist das Web nach Meinung der meisten "ländlichen" Galeristen aber unergiebig.

 Kunst in ländlicher Idylle präsentiert die Galerie Gerling in Bettingen. TV-Foto: Eva-Maria Reuther

Kunst in ländlicher Idylle präsentiert die Galerie Gerling in Bettingen. TV-Foto: Eva-Maria Reuther

Trier. Im landschaftlich reizvollen Schönecken geht es wie anderswo. Immer mehr Geschäfte schließen. Auch die Blaue Galerie ist in einem ehemaligen Leerstand untergebracht. Wo früher Fahrräder verkauft wurden, haben Erdal und Hilda Dogan einen Kunstraum eingerichtet. Kunst aufs Land zu bringen, ist von jeher ein Herzensanliegen des bildhauernden Arztes und seiner kunstbegeisterten Frau. Neben der Galerie engagiert sich Hilda Dogan seit bald 17 Jahren als Leiterin im Kunstkreis Altes Amt. Alljährlich organisiert dieser mit dem rheinland-pfälzischen Kultursommer von April bis Oktober ein abwechslungsreiches grenzüberschreitendes Kulturprogramm, in das die Galerie eingebunden ist. Derzeit sind dort Gemälde von Doris Heeb und Monika Wächter sowie Keramiken und Holzarbeiten von Bernd und Karin Schmidt zu sehen. Im Winter wird der Raum zur Artothek, wo man gegen eine mäßige Gebühr Bilder ausleihen kann.
So gut wie kein Verkauf


Gerade kommt eine Besucherin aus Schönecken herein. Ein eher seltenes Ereignis. "Es ist schwer, Publikum aus dem Ort hier hereinzuholen", berichtet Hilda Dogan. Bei vielen Leuten beobachte sie regelrechte Schwellenängste gegenüber Kunsträumen. Das Galeristenehepaar gehört zu jenen Pionieren, die sich die Förderung und Vermittlung zeitgenössischer Kunst auf dem Land auf die Fahnen geschrieben haben. Wenn möglich, soll auch noch etwas umgesetzt werden. Daran freilich hapert es. "Man verkauft hier so gut wie nie etwas", sagt Hilda Dogan.
Die Erfahrung der Galeristin kann als repräsentativ gelten. Ist schon in Zentren das Geschäft mit der Kunst in den meisten Fällen mühsam, so gestaltet es sich im ländlichen Raum häufig noch beschwerlicher. So gut wie kein Galerist kann von den Einnahmen seines Ausstellungsbetriebs leben. Die Galeriebetreiber sind in der Regel auf weitere Einkommensquellen angewiesen. Wer sich zudem auf die Förderung weniger bekannter oder junger Künstler spezialisiert hat, bleibt ohnehin ein Zuschussbetrieb, vielfach allerdings ein sehr verdienstvoller.
Dass angesichts der mäßigen Umsätze ergänzende Aktivitäten nötig sind, bestätigt auch Christiane Hamann, die seit 1988 in der Künstlersiedlung Weißenseifen neben einem kleinen Verlag die Galerie am Pi betreibt. Seit vor Ort ein Café aufgemacht habe, kämen merklich mehr Interessenten, beobachtet die rührige Verlegerin und Kunstmanagerin. Auch sie legt ein umfangreiches Begleitprogramm zum Galeriebetrieb auf, darunter das bereits von ihrem verstorbenen Mann Albrecht Klauer-Simonis begründete alljährliche Bildhauersymposion. Bei ihren zwei bis drei Ausstellungen pro Jahr setzt Hamann einen Schwerpunkt auf Künstler der Region. Zufrieden äußert sich die Galeristin, die in Hotels, Banken und natürlich im Internet ihre Aktivitäten bewirbt, über ihre 200 bis 300 Besucher monatlich. "Wir sind auf dem richtigen Weg, wir werden wahrgenommen", stellt Hamann fest.
Wie einfallsreich Galeristen auf dem Land sein müssen, davon kann auch Reinhard Hager von der Galerie Gerling in Bettingen (Eifelkreis Bitburg-Prüm) ein Lied singen. Vor 18 Jahren kam der studierte Druckingenieur "der Liebe wegen" aus Berlin in das Eifeldorf im idyllischen Prümtal. Mit vier bis fünf Ausstellungen überregionaler Künstler hatte die Galerie zunächst Aufsehen erregt. Mitgebracht hatte Hager aus der Hauptstadt zudem das Institut der Kunstkneipe, in Bettingen allerdings kein Erfolgsmodell. Heute heißt die Kneipe Gasthaus Arte, nach etlichen Widrigkeiten sind die Ausstellungen auf wenige unregelmäßige geschrumpft. Und Hager, der sich inzwischen mit seiner Frau vor allem um Gastronomie und Hotel kümmern muss, resümiert etwas verbittert: "Mit Kultur ist hier kaum etwas zu machen."
Internethandel spielt keine Rolle


Dabei ist der etwas abgelebte Galerieraum durchaus ein Geheimtipp. Derzeit werden dort die Collagen des inzwischen berühmten einstigen Berliner Hinterhofkünstlers Tim Roeloffs gezeigt. Den Niederländer aus dem legendären Berliner Kunsthaus Tacheles hatte 2008 Donatella Versace für ihre Kollektion entdeckt. Seitdem ist der Mann, vom dem die Frage überliefert ist "Versace, ist das so was wie C&A?" mächtig im Geschäft.
Aus Köln nach Neumagen sind Manfred und Moni Toma-schewski vor fünf Jahren gekommen. Im schönen Moseldorf betreiben die Malerin und der Bildhauer und Keramiker ihre Produzentengalerie Gaias Welt. Soll heißen, sie vermarkten dort ihre eigenen Arbeiten. Ihren "Spagat zwischen Kunst und Kommerz" nennen die beiden Künstler das. Bereut haben sie den Wechsel nicht. Vor allem die Keramiken sind gefragt. "Wir haben Kunden aus der ganzen Region sogar aus Luxemburg", berichtet Manfred Tomaschewski. Und zudem: "Wir freuen uns über eine zunehmende Sensibilität für Kunst". Dass der Radweg praktisch am Laden vorbeiführe, sei ein weiteres Plus. Neben der Kunstproduktion gibt Moni Tomaschewski Malkurse.
Mitten auf dem Land, aber dennoch überregional unterwegs mit etablierter Kunst ist die Galerie Norbert Blaeser in Steffeln. Seit 40 Jahren handelt der Düsseldorfer mit Künstlern der klassischen Moderne und der "verschollenen Generation" (im Dritten Reich verfemte Künstler). Der Standort ist für ihn kein Thema. Über Messen und Empfehlung laufe das Geschäft. Internetauftritt sei Standard, Internethandel spiele für ihn aber keine Rolle, sagt Blaeser. Wie alle andern ist der Leiter der ehemaligen Akademie Steffeln überzeugt: "Das Kunstgeschäft muss man mit Herzblut betreiben". Aber auch mit Professionalität. Für die Region Trier weisen die Gelben Seiten etwa ein Dutzend Galerien auf. Allerdings ist der Begriff Galerie nicht geschützt. Dahinter verbergen sich Kunsthandlungen, Künstler und Kunsthandwerker, die ihre Arbeiten selbst vermarkten (Produzentengalerien) und andere Handlungen. Dem offiziellen Galerienverband Rheinland-Pfalz-Hessen gehören nur 43 Galerien an. er Blaue Galerie: Alter Markt 11, Schönecken, geöffnet Samstag, Sonntag, Montag 14.30 bis 16.30Uhr und nach Vereinbarung, Telefon 06553-3389; www.galerie-dogan.deGalerie am Pi, Weißenseifen/Hersdorf, geöffnet Freitag bis Montag 14 bis 19 Uhr und nach Vereinbarung, Telefon 06594/883; www.galerie-am-pi.deGalerie Gerling: Prümtalstraße 5, Bettingen, geöffnet täglich 9 bis 22 Uhr, Telefon 06527/1313; www.galerie-gerling.deGalerie Gaias Welt: Hinterburg 8, Neumagen, geöffnet Mittwoch bis Montag 11 bis 18 Uhr, Telefon 06507/702664 Galerie Norbert Blaeser: Kirchweg 2, Steffeln, Besuch nach Vereinbarung, Telefon 06593/7809743, www.galerie-blaeser.de er

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