Kunstgeschichte(N)

Bei Onkel Willi und Tante Helga ist dicke Luft. Onkel Willi hat auf dem Flohmarkt ein großes altes Bild mit einem schweren goldenen Rahmen gekauft.

 In diesem schicken Rahmen sieht Leseratte Lucky doch noch besser aus, oder? Foto: istock

In diesem schicken Rahmen sieht Leseratte Lucky doch noch besser aus, oder? Foto: istock

Aus dem Rahmen schaut ein finster blickender Mann mit Hut. "Der Mann geht ja noch einigermaßen", sagt Tante Helga und guckt das Gemälde streng an. "Aber das Ungeheuer von Rahmen kommt mir nicht an die Wand. Das ist mein letztes Wort." Wenn Tante Helga das so sagt, dann meint sie es auch so. Das weiß auch Onkel Willi. "Bilder brauchen nun mal Rahmen", ruft er und knallt wütend die Tür zu. Brauchen sie nicht unbedingt: Ganz früher hatten Bilder gar keine Rahmen. Die ersten gerahmten Bilder waren die Altarbilder in den Kirchen. Das waren aber keine Rahmen, wie wir sie heute an der Wand haben. Die Bilder waren in die Oberteile der Altäre eingebaut. Erst vor 400 bis 500 Jahren wurden Rahmen, wie wir sie heute kennen, als Einfassung von Bildern modern. Meistens waren sie aus Holz. Die Rahmen erzählen viel über ihre Besitzer und deren Zeit. Auch für Bilderrahmen gab es nämlich Moden, die wechselten. Im Barock etwa, der Zeit vor 300 bis 400 Jahren, war Pracht und Verzierung angesagt. Damals entstanden geschwungene, kunstvoll geschnitzte und vergoldete Bilderrahmen. Die wertvollen Rahmen waren aber auch ein Zeichen von Wohlstand. Mit schweren Goldrahmen, so wie dem von Onkel Willi, wollten Gemäldebesitzer häufig darstellen, dass sie reich und vornehm waren. Für die Herstellung der Rahmen gab es früher sogenannte Musterbücher, nach deren Abbildungen die Handwerker arbeiteten. Wer heute einen Rahmen anfertigen lässt, kann zwischen verschiedenen "Leisten" wählen. Das sind kleine rechtwinklige Rahmenstücke, die an das Bild angelegt werden, um zu prüfen, ob sie dazu passen. Man kann aber auch fertige Rahmen kaufen. Besonders Bilder, die auf Leinwände - also auf Stoff - gemalt sind, bekommen durch Rahmen eine feste Form. Die Bildeinfassungen sollen außerdem den Blick direkt auf das Bild lenken, wie in eine kleine abgeschlossene Welt. Bilder, die auf Papier gemalt sind, wie Zeichnungen und Aquarelle oder Fotos, brauchen außer dem Rahmen zum Schutz noch eine Glasscheibe und ein Passepartout. Das ist ein dicker Papierrahmen, der zwischen Bild und Scheibe gelegt wird, damit das Bild besser wirkt und zudem Luft hat. Moderne Maler verwenden häufig gar keine Rahmen mehr. Sie wollen, dass ihre Bilder wie Menschen atmen. Außerdem soll sich der Betrachter vorstellen können, dass das Bild immer weiter und weiter wächst, bis es den ganzen Raum ausfüllt. Eva-Maria Reuther

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