Rätselhaftes Gas aus pflanzlicher Produktion

Jedes Jahr geben Bäume und Kräuter Hunderte Millionen Tonnen des Kohlenwasserstoffs Isopren an die Atmosphäre ab - und niemand weiß, warum. Diese Woche stellt die Serie des Deutschlandfunks in Kooperation mit dem Volksfreund Isopren vor.

 Im Labor wird gemessen, wie viel Isopren eine Pappel abgibt. Foto: Forschungszentrum Jülich

Im Labor wird gemessen, wie viel Isopren eine Pappel abgibt. Foto: Forschungszentrum Jülich

Trier. Ein Glaskolben von der Größe einer Waschtrommel, geflutet vom grellen Licht großer Deckenschweinwerfer und gespickt mit Plastikschläuchen - so sieht sie aus, die Folterkammer für Pflanzen. Die junge Pappel, die darin schmort, hat eine Begasung mit dem Reizgas Ozon hinter sich. Nun zeigt sie Spuren der Tortur: kleine braune Flecken auf ihren Blättern. Nekrosen, abgestorbenes Gewebe. Dass es ihm schlechtgeht, signalisiert der Baumzögling aber auch noch auf andere, unsichtbare Weise. "Unter Stress emittieren Pflanzen sehr stark verschiedene Kohlenwasserstoffe", sagt Jürgen Wildt, der Kammeraufseher, "unter anderem Isopren."

Das ist es, was der Physiker aus dem Institut für Pflanzenwissenschaften des Forschungszentrums Jülich mit seinen Versuchen bezweckt. Wildt misst, welche flüchtigen organischen Substanzen Landpflanzen ausdünsten und wie viel davon.

Was wohl nur die wenigsten wissen: Bäume und Kräuter sind regelrechte Biogasfabriken und emittieren in der Summe Unmengen der VOCs (englisch, volatile organic compounds). An vorderster Front dabei: Isopren, ein kleines Molekül mit fünf Kohlenstoffatomen. Laut Wildt "wird es von der Vegetation in den größten Mengen abgegeben, übertroffen nur noch von Wasser". Geschätzter Jahresausstoß weltweit: 500 Millionen Tonnen! Das sei fünf Mal mehr als das, was Industrie und Verkehr an VOCs (wie zum Beispiel Benzol) emittierten.

Kein Wunder, dass eine solche Massenchemikalie aus dem Baukasten der Natur die Atmosphärenchemie stark beeinflusst. Für Verblüffung sorgte vor Jahren der Befund, dass beim Abbau von Isopren mitunter selbst Ozon entsteht. Das heißt: Auch Pflanzen können via VOCs zum Sommersmog beitragen. Allerdings nur dort, wo Verkehrsabgase in der Luft liegen und damit genügend Stickoxide, eine andere wichtige Zutat.

Muffig riecht das pflanzliche Megaprodukt und bereitet Forschern wie Jürgen Wildt nicht nur deshalb Kopfschmerzen. Warum dünstet die Vegetation überhaupt Isopren aus, den Grundbaustein vieler komplexerer Pflanzeninhaltsstoffe wie etwa Kautschuk? Wieso verströmen Eichen und Pappeln besonders viel von dem Gas, Buchen aber nur wenig und Ackergräser so gut wie gar nichts? Diese Fragen, Wildt zuckt mit den Achseln, "hat noch keiner so richtig beantworten können". Womit uns Isopren verdeutlicht: Selbst heute noch gibt es Moleküle, die in gewaltigen Mengen in unserer Umwelt vorkommen - und bei denen gleichwohl noch vieles im Dunkeln bleibt.

Dieser Beitrag läuft am 16. März im Deutschlandfunk im Rahmen der Reihe "M3 - Mraseks Molekül-Mosaik", immer mittwochs um 16.35 Uhr, in der Sendung "Forschung aktuell". In der Region empfangen Sie den Deutschlandfunk auf UKW 95,4 und 104,6. Weitere Infos im Netz unter www.dradio.de/jahrderchemie

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Vom erwischt werden
Vinyl der Woche: Love Is A Wonderful Thing – Michael Bolton Vom erwischt werden
Aus dem Ressort