Von Alphamädchen, Emanzen und Sissy-Träumen

Pornografie in Musikvideos und Liebesschwüre in Tele-Novelas - Bilder prägen unsere Vorstellung vom Frau-Sein. Beim Trierer Lady-Fest vom 13. bis 15. August in der Tufa werden diese Klischees analysiert und dem Pop-Feminismus entgegengestellt.

Trier. (tab)Was es heute bedeutet, eine Feministin zu sein, erzählen Nellie Stockburger, Feministin und Querkopf erster Stunde und Cora Weiler, Frauenreferentin des AStA der Universität Trier unserer Mitarbeiterin Tamara Breitbach im TV-Interview.

Der Pop-Feminismus (siehe Stichwort) wird überall diskutiert. Auch in Trier tut sich was mit dem Lady-Fest. Was macht die Verbindung von Pop und Feminismus aus?

Weiler: Gerade im Pop werden oft rückständige Geschlechtermodelle gezeigt. Es ist taktisch klug, diese Bilder zu hinterfragen und was Eigenes daraus zu machen...

So analysiert die Künstlerin Sookee Sexismus im Hiphop und zeigt, das es auch anders geht - mit nicht-sexistischem HipHop.

Weiler: Sookee kommt mit ihrer tollen Musik übrigens auch zum Lady-Fest nach Trier.

Frau Stockburger, kennen Sie diese Taktik aus eigenem Erleben?

Stockburger: Ich liebe diese Form der künstlerischen Provokation. Für mich sind Kunst und Kreativität die besten Mittel, um Geschlechterrollen zu kritisieren.

Was heißt es heute für Sie, Feministin zu sein?

Stockburger: Es bedarf keiner Diskussion, ob Frauen und Männer gleichwertig sind.

Weiler: Gleiche Rechte für Frauen und Männer müssen auch in vielen kleinen Dingen umgesetzt werden.

Wo zum Beispiel?

Weiler: Im Fernsehen. Soaps zeigen jeden Tag wie Frauen und Männer zusammenleben sollen. Ausschließlich in einer Ehe zwischen Mann und Frau. Dass es nicht funktioniert, sieht man an Scheidungs- und Fremdgehraten. Und trotzdem wird alles andere tabuisiert oder als exotisch hingestellt.

Das mag als Klischee richtig sein. Aber es gibt auch Gegenbeispiele, wo Ehepaare 50 Jahre und länger glücklich zusammen leben. Was ist Ihr Ziel für das Zusammenleben?

Weiler: Jeder Mensch sollte unabhängig vom Geschlecht größtmögliche Handlungsspielräume besitzen. Diese dürfen andere nicht einschränken oder verletzen. Der Feminismus fordert diese Freiheit.

Stockburger: Die radikale Selbstbestimmung der Geschlechterrolle ist entscheidend. Alles muss möglich sein: Monogamie, Polygamie, Gleichgeschlechtliche Partnerschaften.

Nun zu einem anderen Klischee: Die "Kampf-Emanze" Alice Schwarzer prägt bis heute das Bild vom Feminismus in Deutschland. Wie grenzt sich die junge Generation davon ab?

Weiler: Schwarzer hat sich die Rolle nicht ausgesucht. Männer haben ihr das zu Unrecht zugeschrieben. Auch wenn ich persönlich nicht in allen Punkten mit ihr einverstanden bin, ist sie für die Frauenbewegung wichtig.

Stockburger: Alice Schwarzer ist intelligent, aber keine Autorität für mich, weil ich keine Autoritäten anerkenne. Als Kampf-Frau verstehe ich mich nicht mehr. Heute erreiche ich mit Charme sehr viel (sie lächelt).

Stichwort Pornografie: Wie steht der Pop-Feminismus dazu?

Weiler: Das ist der größte Unterschied zur älteren Frauenbewegung, die sich stark gegen Pornografie engagiert. Es ist wichtig, dass Frauen eigene sexuelle Bilder entwickeln auch als Gegenmodell zur Gewalt in Mainstream-Pornos. Aber diese Bilder dürfen nicht erzwungen sein.

In pop-feministischen Zeitschriften findet man Anleitungen zum Salzteig-Muschi-Backen. Geht Pop-Feminismus spielerisch mit Sexualität um?

Weiler: Nein. Wir diskutieren genauso theoretisch über die Abtreibungsfrage, über das Patriarchat und Geschlechterbilder in Musikvideos. Diese Bastelanleitung ist nur ein kleines Element der vielfältigen Ausdrucksformen im Pop-Feminismus.

Welche Veranstaltung können Sie beim Pop-feministischen Lady-Fest, das vom 13. bis 15. August in Trier stattfindet, empfehlen?

Weiler: Als Einstieg der Workshop zu Pop-Feminismus. Wir schauen Musikvideos und analysieren, wie Frauen und Männer dargestellt werden und was das bewirkt.

Zur Person

Cora Weiler ist seit drei Jahren Frauenreferentin des Asta der Universität Trier und setzt sich für die Belange von Studentinnen ein. Sie organisiert pop-feministisch inspirierte Vorträge, Workshops und Konzerte sowie das Lady-Fest in Trier. Nellie Stockburger ist Psycho- und Sexualtherapeutin. Sie lebt seit den Siebzigerjahren in Trier und gründete mit anderen den freien Kinderladen. Als Feministin hat sie sich in der Anfangszeit nicht gesehen, mehr als Kämpferin gegen starre Gesellschaftsstrukturen. Heute ist sie stolz auf das Erreichte.

Hintergrund

Pop-Feminismus setzt sich kreativ in Internet-Blogs und auf Lady-Festen gegen vorherrschende Geschlechterbilder und ihre prägende Wirkung auf die Gesellschaftsstrukturen ein. Dabei sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Eigene Musik, Literatur, Kunst, Do it yourself (Mach es selbst) - alle Ausdrucksformen sind möglich und erwünscht. Mehr dazu auf dem Trierer Lady-Fest vom 13. bis 15. August in der Tufa. Infos unter http://ladyfest.blogsport.eu/

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Vom erwischt werden
Vinyl der Woche: Love Is A Wonderful Thing – Michael Bolton Vom erwischt werden
Aus dem Ressort