Wenn Gottvater weiblich ist und irren männlich

Daun · Hugo von Hofmannsthals "Jedermann" ist ein Klassiker auf Festspielbühnen. Von daher passt er bestens zur Sommereihe "Klassik auf dem Vulkan" auf dem Burgberg in Daun. Die Premiere war ein Volltreffer.

 Trost findet Jedermann (Till Schneidenbach) bei seinen guten Werken (Anetta Dick). TV-Foto: Gerhard W. Kluth

Trost findet Jedermann (Till Schneidenbach) bei seinen guten Werken (Anetta Dick). TV-Foto: Gerhard W. Kluth

Das war große Kultur, was die TheaterKompagnieStuttgart (TKS) da auf der Sommerbühne auf dem Dauner Burgberg zu bieten hatte. Der "Jedermann", das Spiel vom Sterben des reichen Mannes. Zwar heißt es, Hugo von Hofmannsthal habe sich als Vorlage eines alten englischen Mysterienspiels bedient, wenn man aber genau hinschaut, ist es eine Vorlage aus dem Neuen Testament. Bei Lukas wird im 12. Kapitel die Geschichte vom reichen Mann erzählt, der seine Ernte eingefahren hat und sich nun zufrieden zurücklehnt. Dann aber kommt Gott und sagt zu ihm: "Du Narr! Noch heute Nacht werde ich Dein Leben von Dir fordern. Wem nützt das alles, was Du angehäuft hast?"
In der Regie von Christian Schlösser wurde der Jedermann zu einem packenden Schauspiel, das die knapp 400 Zuschauer in atemlose Spannung versetzte und keinem die Chance ließ, sich zu entziehen. Man hätte dem Abend auch die Überschrift "Auch Du kommst drin vor" geben können. Verantwortlich war dafür in erster Linie ein hervorragender Till Schneidenbach, der die Titelrolle mit unglaublicher Überzeugung spielte. Nicht weniger beeindruckend war Cornelia Elter-Schlösser, die nicht nur für die Konzeption des Abends zuständig war, sondern auch die Rollen von Gottvater (Wer behauptet, dass Gott männlich ist?), Jedermanns Mutter und des verarmten Nachbarn übernommen hatte.
Etwas überzeichnet allerdings (mit Hörnern, Schwanz und Pferdehuf) vertrat Sebastian Kutz die Rolle des Teufels, der am Ende der Lächerlichkeit preisgegeben wird. Nachdem Jedermann feststellen musste, dass er die letzte Reise alleine antreten muss, weil alle seine vermeintlichen Freunde, ja selbst seine Geliebte (Sophia Müller), ihn nicht begleiten wollen und auch das Mammon (Jidu Pasqualini) ihm höhnisch verkündete, dass er nichts mitnehmen kann, traten in der Person von Anetta Dick Jedermanns "Gute Werke" auf. Verhärmt, vernachlässigt, geschunden und doch vorhanden. Auch hier galt: Überzeugend gespielt.
Mit dem Jedermann hat Daun hoffentlich nicht zum letzten Mal einen Theaterklassiker ins Programm aufgenommen. Die Schauspielpremiere war auf jeden Fall ein Volltreffer, der beeindruckte und nachdenklich machte. Der Abend kam an und der lange Applaus dankte nicht nur den Schauspielern, sondern sagte den Veranstaltern: Weiter so. gkl

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