Zwinkernd, zärtlich, zauberhaft

Bitburg · Konstantin Wecker (63), Alt-68er, Liedermacher, Poet und Revoluzzer, hat in Bitburg den rund 600 Gästen einen bewegenden Einblick in sein 40-jähriges Schaffen gegeben. Sein neues Markenzeichen: Selbstironie.

 Liedermacher, Poet, kritischer Zeitgeist: Konstantin Wecker (63). TV-Fotos: Mario Hübner (3)

Liedermacher, Poet, kritischer Zeitgeist: Konstantin Wecker (63). TV-Fotos: Mario Hübner (3)

Bitburg. Langanhaltender, mehrfach wiederaufbrandender stehender Applaus, der Konstantin Wecker und seinen langjährigen congenialen Partner Jo Barnikel auch nach zweieinhalb Stunden wieder auf die Bühne zog, war ebenso wie die vielen beeindruckten Zuhörer der eindeutige Beleg: Der bayerische Liedermacher, der im Leben schon weit oben, aber eben auch tief unten angelangt war, aber immer wieder auf den Teppich zurückkam, kann's einfach noch. Und er will auch noch: Botschaften verkünden, Gefühle vermitteln, Mut machen, die Menschen erreichen.

Dabei fällt seine Bilanz nach 40 Jahren Bühnenpräsenz ziemlich mies aus. Er, der in jungen Jahren angetreten ist, mit seinen Liedern die Welt zu verändern. Er, der auch in der Zwischenzeit immer wieder gegen Rassismus, Unterdrückung, Deutschtümelei und Machthaberei gegiftet hat, blickt sich um. Und sieht eine Welt, die nach Banken- und Wirtschaftskrise noch kälter, härter, ungerechter geworden ist. "Ja, ich wollte verändern. Was soll ich jetzt sagen?", meint er achselzuckend. Doch da klingt nicht Resignation durch, sondern Realismus. Und Selbstironie - ein neuer Zwischenton bei Wecker. Vielleicht sein neues Markenzeichen.

Anders als früher: Kaum Schüler bei seinem Konzert



"Wenn Sie 20 Jahre später vorhaben, festgenommen zu werden, sollten Sie dieses Lied besser nicht schreiben", sagt er nach Darbietung seines Klassikers "Der Herr Richter" und in Anspielung auf seine Haftstrafe nach dauerhaften Drogenexzessen. Ob die Knast- und Kokaingeschichten, wenngleich schon 15 Jahre her, der Grund sind, weshalb sich am Sonntagabend gerade einmal eine Handvoll Schüler ins Konzert gewagt und dem zumeist angegrauten Publikum das Feld überlassen hat? Wer weiß. Jedenfalls gab es Zeiten, da waren Weckers Auftritte Pflichtveranstaltung jedes Deutsch- und Sozialkunde-Leistungskurses in der Umgebung.

Die Zeiten ändern sich. Wecker auch. Er ist - wenngleich er die Revolution des ägyptischen Volks bejubelt, die zögerlichen Reaktionen der deutschen Regierung dazu als "beschämend" anprangert - weniger politisch. Ob's wirklich am Dekolleté Angela Merkels liegt ("Die Brüste der Kanzlerin rauben mir den Verstand")? Auch das ungeklärt. Klar aber ist: Wecker ist nach wie vor begnadet musikalisch, poetisch, authentisch, witzig, spitzzüngig.

Auch wenn es mit der Weltrettung schon wieder nicht geklappt hat: Ein paar Dinge hat er dann doch geschafft. Zum einen das schier sinnlose Unterfangen, in knapp drei Stunden einen Streifzug durch 40 Jahre musikalisches Schaffen hinzubekommen. Und zwar von der ersten Schallplatte (ja, so hieß das Anfang der 70er Jahre noch) mit dem schrägen Titel "Die sadopoetischen Gesänge des Konstantin Wecker" bis zur neuen, im Sommer erscheinenden CD "Wut und Zärtlichkeit".

Zuhörer erreicht, bewegt, berührt



Zum anderen hat er die Zuhörer erreicht, bewegt, zärtlich berührt. Wenn das noch nicht Trost genug ist: Vielleicht tut es eine Textzeile eines bekannten deutschen Liedermachers, der da sang: "Es geht ums Tun, und nicht ums Siegen."

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