Zwischen Orient und Okzident

Luxemburg · Ein dichtes und kontemplatives Jazz-Konzert des libanesischen Trompeters Ibrahim Maalouf hat in der Philharmonie Luxemburg 1200 Besucher begeistert. Der auf einer seltenen Vierteltontrompete spielende Musiker und seine hochkarätige Band stellten unter anderem ihr neues Projekt "Wind", die Musik zu einem Film von René Clair und gleichzeitige Hommage an Miles Davis vor.

Luxemburg. Als Trompeten-Virtuose klassischer, vor allem barocker Musik hat der in Frankreich aufgewachsene Exil-Libanese Ibrahim Maalouf zahllose Preise eingeheimst. Meriten hat sich der 32-jährige Spross einer Musiker- und Künstlerfamilie aber auch als Partner von Sting oder Amadou & Mariam sowie Brückenbauer zwischen Jazz und orientalischer Musik verdient. Was er nun bei seinem ersten Konzert in Luxemburg auf die Bühne bringt, wirkt wie die Quintessenz aus der Summe all dieser musikalischen Erfahrungen.
Zum Auftakt Filmmusik


Auftakt sind Stücke aus einer Filmmusikkomposition zu René Clairs "La Proie du Vent" (Opfer des Windes) von 1926, einer mysteriösen Geschichte um einen Piloten, der im Park eines einsamen Schlosses notlandet und dort einer Komtesse begegnet. Ausgehend von einem überaus sanften und sinnlichen Trompetenton entwickeln sich ätherische Gespinste, die der Vorstellungskraft zu atmosphärischen Bildern verhelfen. Ihr musikalisches Vokabular basiert auf der Tradition Miles Davis\', dessen Soundtrack zu "Fahrstuhl zum Schafott" wesentliche Inspirationsquelle war. Doch Maalouf schöpft dazu aus seinen orientalischen Wurzeln, flicht immer wieder Arabesken ein. Das geschieht stets fein und unaufdringlich.
Aha-Erlebnis sind jedoch die ungeahnten Zwischennuancen, die die besondere Konstruktion der Trompete mit vier statt drei Ventilen zulässt. Auch der weitere Programmverlauf, in dem Maalouf eine - wenn auch selbstironisch gebrochene - Kostprobe seines Barock-Virtuosentums gibt, lateinamerikanische Klänge auflegt oder gar ein Chanson-Stück von Serge Gainsbourgh interpretiert, lebt von der Magie des Subtilen. Daran haben die vier begnadeten Mitmusiker, denen Maalouf viel Raum lässt, erheblichen Anteil. Außergewöhnlich zu nennen ist, wie differenziert und filigran Clarence Penn am Schlagzeug agiert. Nicht einmal erliegt er der Versuchung, laut draufzudreschen. Ebenso großartig - elegant und leicht zugleich - spielt Ira Coleman den Bass. Frank Woeste am Piano und Mark Turner am Saxofon sind brillante Dialogpartner Maaloufs, sowohl in kreativen Improvisationen als auch rundum schönen und schlüssigen Melodie-Parts.
Ganz unaufgeregt zaubern die Fünf Musik, die ihre Spannung aus einer gefühlvollen inneren Dynamik bezieht. Sie lädt ein, die Augen zu schließen, in ihr und einer Flut von Assoziationen zu versinken. Ein Genuss, für den es nach fast zweieinhalb Stunden stürmischen Applaus und Bravo-Rufe hagelt. ae

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