"Affäre Kapellchen": Behörden bremsen engagierte Bürger in Wehlen aus

Wehlen · Das Oberdorf-Kapellchen an der Hauptstraße in Wehlen (Landkreis Bernkastel-Wittlich) rottet vor sich hin. Für Stadtbürgermeister Wolfgang Port ist es "die Affäre", für Ortsvorsteherin Gertrud Weydert wurde hier "das Ehrenamt mit Füßen getreten", die Wehlener Bürger sind desillusioniert, während die Bürokratie ihren Gang geht.

Wehlen. "Wir sind furchtbar verärgert. In der Hoffnung, was Gutes zu tun, haben sich Ehrenamtliche an die Innenrenovierung des Kapellchens gemacht", sagt Gertrud Weydert. Darunter ein Malermeister, der andere Kirchen professionell renoviert hat. Das war Mitte Mai 2011. Seitdem liegt das Unterfangen brach.
"Während einer Ortsbegehung zu ,Unser Dorf soll schöner werden\', haben Leute aus der Kreisverwaltung gesehen, dass Bürger im Innenraum restaurieren wollten", erinnert sich Wolfgang Port. Damit begann ein gewöhnlicher Verwaltungsakt: "Wir erhielten Post, dass mit sofortiger Wirkung ein Baustopp verhängt wird." Das war am 1. Juni 2011. Begründung: Das Kapellchen stehe unter Denkmalschutz und dürfe nicht unfachmännisch, wie von diesen Laien, neu gemacht werden. Die Untere Denkmalschutzbehörde verlangte von der Stadt einen Antrag mit Beschreibung der Schäden, dem Umfang der Sanierungsmaßnahmen, Fotos und einem Gutachten (der TV berichtete).
Antrag vom Land abgelehnt


Dieses Gutachten musste in Auftrag gegeben werden. Es umfasst 37 Seiten und wurde im Juni 2012 erstellt.
Zwischenzeitlich wurde die 1905 erbaute Kapelle durch den Hagel im August 2011 schwer beschädigt: Fenster gingen zu Bruch und durch das Dach bahnt sich Feuchtigkeit ihren Weg nach innen. Weydert ärgert sich: "Im Gutachten steht nur, was gemacht werden muss und schon längst hätte gemacht werden können." 2400 Euro schlagen dafür erst mal zu Buche. Ergebnis: Geschätzte 33 000 Euro kostet die kompetente Sanierung des Ortes, in dem sich Menschen besinnen wollen. 8500 Euro entfallen auf die Hagelschäden. Port könnte schon bei dieser Phase der "Affäre Kapellchen" an die Decke gehen: "Da haben wir Menschen, wie sie sich Politiker wünschen - welche, die ohne Kosten für die Kommunen etwas sanieren wollen, die sogar Sponsoren haben. Es wäre maximal zu Materialkosten von etwa 4000 Euro gekommen. Aber dieses Musterbeispiel an Verwaltungsbürokratie wird schlimmer."
Am 17. Dezember 2012 liegt die denkmalrechtliche Genehmigung für fachgerechte Arbeiten vor. Der Kreis empfiehlt der Stadt, sie solle einen Antrag zur Förderung aus dem Topf der Dorferneuerung ans Ministerium stellen. Die ADD (Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion) Trier stimmt zu. Port ist höchst verärgert: "Nun haben wir es schriftlich, wie das Verwaltungssystem funktioniert: Die Stadt stellt einen Antrag, der nach falschen Beratungen des Kreises erfolgt ist.
Die nächste Ebene, die ADD Trier, unterstützt das. Das Ministerium schickt das Ganze wieder zurück, lehnt eine Förderung ab mit der Begründung, es handle sich um eine reine Bauunterhaltungsmaßnahme. Dafür gebe es keinen Zuschuss."
Doch die Kreisverwaltung hält an ihrer Empfehlung fest: "Meines Erachtens ist dieses Kulturdenkmal als ortsprägendes Gebäude durchaus nach der Dorferneuerung förderfähig", meint Fachbereichsleiter Bauen und Umwelt Hermann Brück. Wie es weitergehe, entziehe sich seinem Wissen. Wichtig sei nur, "dass alle Arbeiten unter denkmalrelevanten Maßgaben erfolgen".
So wie den Stadtchef das auf die Palme bringt, verliert auch die Ortsvorsteherin langsam die Geduld: "Mittlerweile haben wir Geld für ein Gutachten ausgegeben, müssen eine Renovierung ausschreiben, und wer soll die Kosten von 33 000 Euro übernehmen?"
Diese Frage beschäftigt auch die enttäuschten Bürger. Jetzt fängt alles wieder von vorn an. Erst muss der Bauausschuss der Stadt beraten, dann der Stadtrat. Wann letztlich eine Renovierung erfolgt und vor allem wer das bezahlen soll, steht in den Sternen. Die Außenanlagen an der Kapelle haben die Wehlener zumindest in Eigenregie neu angelegt. Nun können sie nur noch tatenlos auf das Gebäude schauen.
Meinung

Das versteht keiner
Engagierte Bürger wollen ein kleines Kapellchen vor dem Verfall retten - freiwillig und ohne etwas dafür zu verlangen. Behörden und Gutachter schalten sich ein, beurteilen, bewerten, schreiben Stellungnahmen. Sie produzieren unnütz Papier, während es weiter in die Kapelle hineinregnet. Der gesunde Menschenverstand bleibt im Fall Wehlen auf der Strecke und der Dumme ist mal wieder der Steuerzahler. w.simon@volksfreund.deExtra

 ...Doch innen ist das Gebäude marode: Wehlener Bürger wollen die kaputten Fenster im Innenraum sowie Decken und Wände renovieren. TV-Fotos: Claudia Szellas

...Doch innen ist das Gebäude marode: Wehlener Bürger wollen die kaputten Fenster im Innenraum sowie Decken und Wände renovieren. TV-Fotos: Claudia Szellas

 Wehlener Bürger wollen die kaputten Fenster im Innenraum sowie Decken und Wände renovieren.

Wehlener Bürger wollen die kaputten Fenster im Innenraum sowie Decken und Wände renovieren.

Das sagen Bürgeraus WehlenOtto Zirker: "Wir engagierten Bürger werden behandelt wie Kindergartenkinder. Ich wollte mit viel Idealismus helfen. Den habe ich verloren." Malermeister Mario Philipps: "Wir werden als Laien hingestellt, die nichts können. Schon mein Vater hat Kirchen von innen renoviert." Paul Prüm vom Heimatverein"Wehlen, Wein und Wiesen": "Wir hatten sogar Sponsoren, die sich an den Kosten beteiligen wollten. Die haben mittlerweile auch kein Interesse mehr. Über das Vorgehen sind wir ziemlich entsetzt." Rita Busch: "Vier Frauen aus dem Ort kümmern sich um die Kapelle, machen hier die Kerzen an. Wir sind enttäuscht, dass nichts weiter passiert und alles verrottet." jo

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