Bummel vor verschlossener Tür

Wittlich · Attraktive Innenstadt, 100 Fachgeschäfte: Das steht auf neun großen Schildern in Wittlich. Kunden, die dort samstagnachmittags einkaufen wollen, stehen teils vor geschlossenen Geschäften. Sieben Jahre nach dem ersten Versuch, einheitliche Öffnungszeiten zu bieten, und ein halbes Jahr nach dem zweiten Anlauf gibt es noch keine klare Linie.

Wittlich. Samstag in Wittlich: Ein Einzelhändler in der Innenstadt öffnet dem Kunden die Tür. Die Uhr zeigt fast 16 Uhr, trotzdem ist der Empfang freundlich, die Bedienung selbstverständlich angenehm. Allerdings ist das ein Einzelfall. Denn viele der rund 70 Einzelhandelsgeschäfte, die es noch mitten in der Stadt gibt, haben um diese Zeit längst geschlossen. Der Effekt: Er kommt erst gar nicht zum Stadtbummel.
"Was soll man samstagsnachmittags in der Innenstadt? Man muss Glück haben, wenn jeder dritte Laden noch offen hat", sagt zum Beispiel Josefine Pütz, 20 Jahre, aus Wittlich.
"16 Uhr ist ein Muss"


Dieser Entwicklung entgegengestellt hat sich bereits vor sieben Jahren Heinz Schmitz von Sport Schmitz in der Neustraße. Der Geschäftsmann startete zum ersten Mal den Versuch, die Einzelhändler von längeren und vor allem einheitlichen Öffnungszeiten am Samstag zu überzeugen. Sehr wichtig war ihm der Solidaritätsgedanke "Ich bin dabei!". Heinz Schmitz sagt: "Darum sollte es gehen, eine Einheit zwischen den Einzelhändlern in der Innenstadt zu schaffen." Doch der große Erfolg blieb aus, weil nicht alle Mitstreiter durchgehalten haben.
Vor einem halben Jahr gab es einen Neustart. 46 Geschäftsinhaber wollten ab sofort an einem Strang ziehen: mit Öffnungszeiten bis 16 Uhr an Samstagen. Heinz Schmitz war erleichtert über die neue Initiative: "Das bringt Klarheit für den Kunden. 16 Uhr ist ein Muss. Und nicht nur samstags schiebt sich das Einkaufen zeitlich nach hinten raus. Dem muss der Einzelhandel Rechnung tragen."
Dafür wird zum Beispiel seither mit einem Großplakat an der Südtangente geworben. Doch wieder machen nicht alle mit. Ein Argument: Es lohnt sich einfach nicht.
Sabine Eifel, Schreibwarenhandlung Nels, erklärt, warum: "Wir haben es zwölf Monate probiert, doch das Verhältnis zwischen der Bezahlung von Mitarbeitern und den Einnahmen nach 14 Uhr rechnete sich nicht!"
Andererseits gibt es Anzeichen, dass noch Menschen in der Stadt einkaufen wollen, nachdem die Glocke von St. Markus 14 Uhr geschlagen hat. Das bestätigt jedenfalls Kai-Kevin Mahrla, C&A, im Einkaufszentrum Schlossgalerie. Er sagt: "Wenn in der Innenstadt die Geschäfte am Samstagmittag schließen, merken wir einen deutlichen Ansturm!" Er spricht sogar von Profit, und zwar samstags nach 14 Uhr. Immerhin: Bei den Geschäften im Einkaufszentrum sind die Kunden sicher, dass sie samstagnachmittags geöffnet sind. Für die Innenstadt, die sich direkt an die Schlossgalerie anschließt, sieht das anders aus. "Es gibt da keine Einheit in den Öffnungszeiten, und es ist ungewiss, welchen Laden ich überhaupt noch nach 14 Uhr erreichen kann. Da entscheide ich mich lieber für einen Besuch in Bitburg. Der Weg ist derselbe", sagt Erich Gerhards aus Oberkail.
Und wie sieht das Einkaufsverhalten der Kunden am Stadtrand aus? Winfried Bungert vom gleichnamigen Warenhaus sagt: "Auch wir sitzen mit den Geschäftsleuten in der Innenstadt in einem Boot und könnten uns mit längeren Öffnungszeiten gegenseitig helfen. Der Kunde braucht Vertrauen und Verlässlichkeit der Geschäfte!" Bei ihnen mangele es samstags nicht an Kunden. Hätten die Läden in der Innenstadt länger und einheitlicher geöffnet, würden sicher viel mehr Kunden ihren Einkauf bei Bungert mit einem Stadtbummel in der Innenstadt verbinden.
Und was sagt der Verein Stadtmarketing Wittlich? Karsten Mathar ist bewusst, dass es sich für manche Branchen einfach nicht lohnt, länger zu öffnen. Doch auch er, genau wie Osvaldo Livan von der Eisdiele Livan in der Burgstraße, würde sich über eine einheitliche längere Öffnungszeiten samstags freuen. Und Letzterer steht für ein Angebot, das viele Befragte nennen, will man einen Grund für einen Besuch der Innenstadt am Samstagnachmittag hören: Eis essen und Kaffee trinken gehen.Meinung

Kaffee und Eis reichen nicht
Das Hin und Her um die Samstagsöffnungszeiten hat eins gebracht: Kunden lassen die Stadt links liegen. Natürlich können Einzelhändler mit den Einkaufsmärkten rings um den Stadtrand, die teils sogar bis 22 Uhr öffnen, nicht gleichziehen. Und samstags bis 16 Uhr für die Menschen, von denen sie leben, da zu sein, wollen viele nicht. Die Folgen tragen alle: auch die, die im Sinne der Kunden handeln, die eben nicht um 9 Uhr auf der Matte stehen, sondern den nachmittäglichen Stadtbummel an ihrem freien Tag genießen wollen. Dann reichen Eisdielen und Cafés nicht aus, und an den schönen Fassaden hat man sich auch irgendwann sattgesehen. Dass geschlossene Läden eine Stadt voranbringen, kann kein Mensch glauben. s.suennen@volksfreund.deExtra

Michael Umlauf (45), Mückeln: "Ich würde gerne öfter aus Mückeln kommen, wenn ich wüsste, dass hier samstags mehr Läden offen wären!" Jonas Schneck (19), Wittlich: "Bis 16 Uhr am Samstag offen wäre super, zumal es eigentlich Standard ist!" Heidrun Ring (51), Ürzig: "Samstag ist hier tote Hose, schade!" Petra Rietz (56), Kinderbeuern: "Gerade am Wochende ist es hier so trostlos leer!" Sabrina Kuhn (19), Dorf: "Bis 14 Uhr reicht mir, danach ist hier doch eh nichts mehr los!" Jan Barthen (20), Wittlich: "Für die Leute die unter der Woche arbeiten, wäre ein langer Samstag wirklich sinnvoll." TV-Fotos (6): Anna-Lena Haller

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