Butterweiche Landung der alten Bahnbrücke

Wengerohr · Nicht einmal zehn Minuten dauerte am Dienstag der Abbau einer der beiden Bahnbrücken in Wengerohr. Unter den Zuschauern waren auch viele Menschen, die zwischen 1976 und 1988 regelmäßig mit dem roten Triebwagen unterwegs waren.

Wengerohr. Kurz nach 10 Uhr brandet Applaus auf. Die Brücke, die einst wichtiger Bestandteil der Bahnstrecke Wengerohr-Wittlich war, ist nur noch Geschichte. Kranfahrer Peter Bölcher hat das 57 Tonnen schwere und 22 Meter lange Bauwerk, das an vier Stahlseilen hängt, butterweich neben der Straße auf zwei Stahlträgern abgelegt. Keine zehn Minuten hat die Aktion vom Abheben bis zum Aufsetzen gedauert. Die Strecke zwischen Wittlich und Wengerohr, auf der bis 1988 Personenzüge verkehrten und die 2001 komplett stillgelegt wurde, ist endgültig Geschichte.
"Wir waren dabei", sagt einer der etwa 100 Schaulustigen hinter der Absperrung. Viele von ihnen haben einen Fotoapparat dabei, um den Brückenabbau für das Privatarchiv zu dokumentieren. "Und damit die Enkel auch noch sehen, was da mal stand", sagt einer.
Für Kranfahrer Peter Bölcher ist eine solche Aktion Routine. "Ruck, zuck war die Brücke weg", berichtet der 54-Jährige. Die Vorbereitung hat dagegen mehr als zwei Stunden gedauert. Weil die Straße abschüssig ist, mussten zuerst Gegengewichte (90 Tonnen) angebracht werden, damit der Kran auch sicher steht.
Für Bölcher ist es trotzdem ein besonderer Tag. In den 1970er Jahren ist der Mann aus Morbach regelmäßig mit dem roten Triebwagen von Wengerohr nach Wittlich gefahren. "Erst mit dem Bus von Morbach nach Bernkastel-Kues, dann mit dem Zug nach Wengerohr und dann weiter nach Wittlich", erinnert er sich. Eineinhalb Stunden pro Strecke.
Ein besonderer Tag ist es auch für Reiner Ludwig aus Bausendorf. "Da muss ich hin", erzählt er von seiner Reaktion, als er im TV vom bevorstehenden Abbruch las. Der gelernte Schlosser war beim Aufbau der im Mai 1976 eingeweihten Brücke dabei. Nun schaut er mit etwas Wehmut beim Abbau zu. Drei Monate sei damals gearbeitet worden, erzählt er. Der eigentliche Einbau der Brücke sei aber in einer Nacht über die Bühne gegangen. "Die Bahn hat damals Dampfkräne aus Trier und Wuppertal geschickt. Alles war voller Nebel", erinnert er sich.
Wer auch immer an diesem Morgen von seinen Erlebnisse erzählt - immer ist liebevoll vom roten Triebwagen die Rede, nie von Eisenbahn oder Zug.
Etwa fünf Mark habe die Monatskarte gekostet, erinnert sich Karl-Heinz Eisenbarth aus Wengerohr. Ein besonderes Erlebnis sei gewesen, auf einem der beiden Sitze neben dem Fahrer Platz nehmen zu dürfen. "Ich hatte früh ein Auto", sagt Paul Plein aus Bombogen. "Zur Wittlicher Kirmes bin ich aber immer mit dem Triebwagen gefahren."
Wie geht es nun mit der Brücke weiter? Noch an Ort und Stelle wird sie in zwei Teile zerlegt. Am Donnerstag werden zwei Sattelschlepper die Teile nach Konz bringen. Dort hat die Bahn ein Lager. Gut möglich, dass die Brücke woanders wieder Verwendung findet.Extra

Der Abbruch der alten Brücke kostet etwa 60 000 Euro: Bund (Baulastträger der Straße) und Bahn (Besitzer der Brücke) teilen sich diese Summe. Federführend bei den Arbeiten ist die Firma Knaf aus Ernzen (Eifelkreis Bitburg-Prüm). Für den reinen Abbau ist die Firma Steil (Trier) zuständig. Abgebrochen wird die Brücke, weil sie nicht mehr genutzt wird. Deshalb haben sich Bund, Bahn und Stadt für den Abbau entschieden. cb

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